Köln

 

 

Als Mediziner getarnt, als Täter entlarvt: Die Verurteilung eines Kölner Arztes nach systematischen Vergewaltigungen

Wie Ardalan B. die Hilflosigkeit junger Frauen für seine sexuelle Erregung ausnutzte

 

 

 

Ein 51-jähriger Hausarzt aus Köln wurde nach sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen in seiner Praxis zu vier Jahren Haft verurteilt. Ardalan B. lockte seine Patientinnen unter medizinischen Vorwänden in intime Situationen, um seine sexuellen Fantasien auszuleben. Die Urteile enthüllen, wie der Mediziner geplant vorging und die Schutzlosigkeit der entkleideten Frauen im Behandlungszimmer zu seinem Vorteil nutzte.

 

Vom Freispruch zur Haftstrafe: Die erste Vergewaltigung (2020-2024)

Ende 2020 kam eine Frau mit Hüft- und Leistenschmerzen in die Praxis von Ardalan B. in der Kölner Innenstadt. Nach kurzer Untersuchung schlug der Arzt eine spezielle Massage vor, die er angeblich wegen Zeitmangel unterbrechen musste. Er bat die Patientin, zur Mittagszeit wiederzukommen – zu einem Zeitpunkt, als niemand anders anwesend sein würde.

«Als ich zurückkam, bemerkte ich sofort etwas Seltsames», hätte die Betroffene später ausgesagt. Die Behandlungsliege war mit einer weißen Decke überzogen statt mit den üblichen klinischen Papiertüchern. Das Licht war gedimmt. Der Raum wirkte vorbereitet – nicht für eine medizinische Behandlung, sondern für etwas anderes.

Der Arzt forderte die Frau auf, sich vollständig auszuziehen. Er verteilte Öl großzügig auf ihrem Körper und dirigierte sie in eine «Katzenbuckel»-Position. Was folgte, war keine Therapie: Er drang mit seinen Fingern in sie ein, begrapschte ihre Brüste und ihren Intimbereich. Die Patientin erstarrte vor Schreck. Seine wiederholten Entschuldigungen während der Tat zeigten, dass er wusste, was er tat – und dennoch machte er weiter, getrieben von seinem Verlangen.

Im Juli 2022 wurde Ardalan B. vom Amtsgericht Köln freigesprochen. Die Richterin zweifelte an der Konstanz der Aussagen des Opfers. Der Arzt selbst bestritt jegliches Fehlverhalten.

Die Staatsanwaltschaft kämpfte weiter für Gerechtigkeit und ging in Berufung. Im Mai 2024 folgte die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft – die erste juristische Anerkennung dessen, was die Frau durchgemacht hatte.

 

Der Täter schlägt erneut zu: Ein weiteres Opfer (März 2024)

Noch während er gegen sein erstes Urteil in Revision ging, griff Ardalan B. erneut zu. Im März 2024 lockte er eine langjährige Patientin mit Rückenbeschwerden in seine Praxis. Der Köder: ein angeblich «neues Gerät» für ihre Schmerzen. Die Terminwahl – kurz vor Praxisschluss um 17:45 Uhr – war kein Zufall.

Allein mit der Frau in seiner Praxis, wies er sie an, sich zu entkleiden und bäuchlings hinzulegen. Seine Hände wanderten bei der angeblichen Massage schnell zu intimen Stellen. Der Arzt, sexuell erregt durch die Kontrolle und Macht über die schutzlose Frau, ging immer weiter. Es kam zum erzwungenen Geschlechtsverkehr.

Die Patientin bejahte seine wiederholten Fragen, «ob alles in Ordnung sei» – ein typisches Reaktionsmuster bei sexuellen Übergriffen, das Fachleute als «Freeze-Reaktion» kennen. Die Staatsanwaltschaft stellte klar: «Er fragte nicht vor den ersten Berührungen, sondern erst danach – er wusste, dass sein Verhalten nicht gewollt war.»

 

Justiz greift durch

Der Prozess zum zweiten Fall im November 2024 stand zunächst auf wackligen Beinen, da die Frau nicht aufzufinden war. Doch der Täter hatte den sexuellen Kontakt zugegeben – wenn auch mit der Behauptung, dieser sei einvernehmlich gewesen.

Sein Anwalt signalisierte ein Teilgeständnis: «Ihm ist klar, dass er das nicht durfte.» Eine vage Formulierung für ein brutales Vergehen.

Am 20. Februar 2025 fiel das Urteil: vier Jahre Haft für sexuellen Übergriff und Missbrauch eines Behandlungsverhältnisses. Richter Benjamin Roellenbleck betonte die «extremen Parallelen» beider Fälle und ließ den Arzt noch im Gerichtssaal verhaften.

 

Ein Täter mit System

Die beiden Vergewaltigungen offenbaren einen Mann, der seinen Beruf und die damit verbundene Autorität strategisch einsetzte, um Frauen in verwundbare Positionen zu bringen. Die Details sind beklemmend ähnlich:

- Beide Frauen kamen mit legitimen Schmerzen

- Beide wurden zu Zeiten einbestellt, zu denen keine Zeugen anwesend waren

- Beide sollten sich entkleiden für angeblich medizinisch notwendige Massagen

- Beide erstarrten während des Übergriffs und konnten sich nicht wehren

 

Besonders verstörend ist die offensichtliche Vorbereitung: die gedimmten Lichter, die weiße Decke statt klinischer Materialien – Zeichen, dass diese Übergriffe keine spontanen Taten waren, sondern geplante Verbrechen.

Zum Zeitpunkt seiner Verurteilung hatte Ardalan B. bereits aufgehört, als Arzt zu praktizieren, und arbeitete als Fahrer. Die Ärztekammer muss noch über ein formelles Berufsverbot entscheiden.

Für die betroffenen Frauen bedeutet das Urteil die offizielle Bestätigung: Sie wurden nicht nur von einem Arzt berührt, sondern von einem Sexualstraftäter vergewaltigt, der seinen weißen Kittel als Tarnung nutzte. Die Justiz hat ihre Stimmen gehört – auch wenn es Jahre dauerte.

 

QUELLE

· «Kölner Hausarzt im Gerichtssaal verhaftet», Hendrik Pusch, Kölner Stadt-Anzeiger, 20.02.2025 ·