Dinslaken

 

 

 

Fachwissen als Tatwaffe · Dinslakener Anästhesist narkotisierte und vergewaltigte «Geliebte», nahm seine sadistischen Taten auf und stellte die Videos & Fotos online

 

 

 

Ein 41-jähriger Mediziner aus Dinslaken wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, nachdem er seine Geliebte wiederholt betäubte, vergewaltigte und die Taten im Internet verbreitete. Der Fall zeigt die verstörende Doppelexistenz eines nach außen respektablen Arztes, der seine medizinischen Kenntnisse missbrauchte, um schwere Sexualstraftaten zu begehen.

 

Der Fall beginnt: Anklage vor dem Duisburger Landgericht

Vor dem Landgericht Duisburg musste sich ein 41-jähriger Arzt aus Dinslaken verantworten, der unter schwerwiegenden Vorwürfen stand. Laut Anklage hat er eine Frau, mit der er jahrelang ein außereheliches Verhältnis führte, mehrfach sexuell missbraucht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm konkret vor, die Betroffene betäubt zu haben, um sie gegen bestimmte Sexualpraktiken wehrlos zu machen. Dabei dokumentierte er die Taten mit Film- und Fotoaufnahmen, die er anschließend ohne Wissen der Betroffenen im Internet verbreitete.

Der Katalog der Anklagepunkte war umfangreich: sexuelle Nötigung, Vergewaltigung einer Widerstandsunfähigen, gefährliche Körperverletzung, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch die Weitergabe von Bildaufnahmen.

 

Vom Vorzeigemediziner zum Angeklagten

Die Biografie des Beschuldigten las sich zunächst wie eine Musterkarriere im medizinischen Bereich: Nach seinem Abitur (Note 2,0) und dem Zivildienst absolvierte er ein Medizinstudium in Düsseldorf. 2012 erhielt er seine ärztliche Zulassung, heiratete kurz darauf und wurde zweifacher Vater. Der berufliche Weg führte ihn 2019 zum Facharzt für Anästhesie.

Doch der scheinbar solide Lebensweg nahm bereits bei seiner ersten Anstellung im evangelischen Klinikum Duisburg Nord eine verhängnisvolle Wendung. Dort lernte er eine Krankenschwester kennen, mit der er bald eine sexuelle Beziehung begann – verheimlicht vor seiner Ehefrau. Die Treffen fanden im Schwesternwohnheim oder direkt am Arbeitsplatz statt.

 

Absturz in Drogen & sexuelle Obsessionen

Im Jahr 2020 begann der Angeklagte nach eigenen Angaben, Amphetamin und Ecstasy zu konsumieren. Parallel dazu verstrickte er sich zunehmend in dubiose Internet-Communities mit Fokus auf sexuelle Inhalte. «Ich wollte den immer größeren Kick», gestand der 41-Jährige vor Gericht, während er sich gelegentlich Tränen aus den Augenwinkeln wischte.

Seine wachsende Fixierung auf bestimmte Sexualpraktiken, welche seine Geliebte ablehnte, führte zu einem dramatischen Grenzübertritt: Er verabreichte ihr Drogen ohne ihr Wissen. Seine Rechtfertigung vor Gericht: Er wollte ihr Schmerzen nehmen und sie an seinen «rauschhaft übersteigerten Sinneswahrnehmungen» teilhaben lassen. «Anfangs wusste sie davon nichts», gab er zu.

Auch die heimlichen Aufnahmen und deren Verbreitung im Internet erfolgten ohne Kenntnis der Betroffenen. Als Motivation nannte der Angeklagte das Streben nach «Anerkennung bei jenen, mit denen ich in den Chats zu tun hatte».

 

Prozessverlauf: Abgründe einer Doppelexistenz werden sichtbar

Beim Prozessauftakt Mitte Oktober 2024 legte der Angeklagte bereits ein weitgehendes Geständnis ab. Dieses wurde in der Verhandlung Anfang November durch die Offenlegung verstörender Einzelheiten ergänzt. Der Vorsitzende der 2. Großen Strafkammer konfrontierte den Angeklagten mit Auszügen aus seinen Chat-Verläufen, in denen er mit seinen Taten prahlte.

Laut diesen Unterhaltungen verabreichte der Arzt seiner Partnerin bei einer der Taten 55 Milligramm des Beruhigungsmittels Diazepam – eine Dosis, die er selbst im Chat als «fünf Mal so viel wie bei einer normalen Narkose» bezeichnete. Trotz dieser massiven Überdosierung berichtete er seinem Chat-Partner: «Danach war sie zwar müde, hat sich aber immer noch gewehrt.» Als Beweis schickte er unaufgefordert Fotos seiner Tat, obwohl der Empfänger diese gar nicht sehen wollte.

Bei weiteren Vorfällen schlug und würgte er die junge Frau. Ein anderes Mal verabreichte er ihr heimlich Drogen in einem Orangensaft. Die Aufnahmen, die später als Beweismittel dienten, zeigten eindeutig, dass die Frau sich noch «mit letzter Kraft» gegen die Übergriffe zu wehren versuchte – ein besonders bedrückendes Detail dieses Falles.

 

Gestohlene Medikamente & Drogenfund

Bei der Hausdurchsuchung im Dezember 2022 fanden Ermittler eine Vielzahl von Medikamenten, darunter rezeptpflichtige schwere Schmerz- und Beruhigungsmittel. Ein als Zeuge geladener Krankenhausapotheker konnte zweifelsfrei nachweisen, dass einige der Präparate aus dem evangelischen Krankenhaus Duisburg Nord stammten, wo der Angeklagte beschäftigt war. «Das kann man an einem individuellen QR-Code an den Packungen zweifelsfrei zuordnen», erklärte der Zeuge.

Besonders alarmierend war der Fund von über 200 Gramm Amphetamin. Der Angeklagte rechtfertigte die erheblichen Mengen an Drogen und Arzneimitteln mit der Erklärung: «Ich werfe eigentlich nie irgendwas weg.» Selbst nachdem bereits Ermittlungen gegen ihn liefen, verbreitete der 41-Jährige erneut Bilder seiner «entsetzten Ex-Freundin» im Internet – ein Verhalten, das er vor Gericht selbst als «dumm» bezeichnete.

 

Die Stimme der Betroffenen: Tiefgreifende Traumatisierung

Die 32-jährige Betroffene wurde im Prozess nur kurz vernommen. Angesichts des weitgehenden Geständnisses konzentrierte sich ihre Aussage vor allem auf die Folgen der erlebten Traumatisierung. Die Krankenschwester berichtete von erheblichen psychischen Problemen, die eine stationäre Therapie erforderlich machten. 

Die Auswirkungen auf ihr Leben waren tiefgreifend und zeigen, wie nachhaltig solche Grenzverletzungen wirken: Ein Jahr lang war sie berufsunfähig und musste Hilfe in einer psychiatrischen Einrichtung suchen. Bis heute befindet sie sich in therapeutischer Behandlung und kämpft mit großer Kraft darum, wieder ein normales Leben führen zu können – ein schmerzlicher Prozess, der deutlich macht, wie verheerend die Folgen für Menschen sein können, die solche massiven Übergriffe erleiden müssen.

 

Das Urteil: Mehrjährige Haftstrafe

Am 19. November 2024 verkündete das Landgericht Duisburg das Urteil in diesem bedrückenden Fall. Der nicht vorbestrafte Mediziner wurde wegen schwerer Vergewaltigung, gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Verabreichens von Medikamenten, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Hehlerei und Drogenbesitz zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Bemerkenswert war die Einschätzung des Gerichts zum Geständnis des Angeklagten. Entgegen der üblichen Praxis bewertete die Kammer dieses nicht als besonders strafmildernd: «Der Angeklagte hat es entwertet, indem er selbst die belastenden Beweise herstellte», erklärte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Das Gericht betonte besonders die schwerwiegenden psychischen Folgen für die Betroffene als strafschärfenden Umstand.

 

Fachkenntnisse als Werkzeug des Verbrechens

Die persönlichen und beruflichen Konsequenzen für den Täter waren umfassend: Er verlor seine Arbeitsstelle, seine Zulassung als Arzt und seine Familie. Seine Approbation hatte er bereits kurz vor Prozessbeginn zurückgegeben. Die öffentliche Fassade des erfolgreichen Mediziners und glücklichen Familienvaters war endgültig zerbrochen.

Wie das Gericht feststellte, hatte der 41-Jährige über längere Zeit eine verstörende Doppelexistenz geführt. Nach außen hin der respektable Arzt, lebte er im Verborgenen eine Parallelwelt aus Sexualverbrechen, Drogenkonsum und der Teilnahme an fragwürdigen Online-Communities. Besonders beunruhigend ist, wie er sein medizinisches Fachwissen gezielt einsetzte, um einer vertrauenden Person zu schaden – ein Umstand, der diesen Fall besonders beunruhigend macht und Fragen nach Kontrollmechanismen im Gesundheitswesen aufwirft.

Das Urteil markiert das Ende eines Falles, der aufzeigt, wie medizinische Expertise als Waffe missbraucht werden kann und wie verletzlich Patientinnen und Menschen in intimen Beziehungen gegenüber solchem Missbrauch sind.

 

 

QUELLEN

· «Anklage: Arzt aus Dinslaken betäubt und missbraucht Geliebte», Bodo Malsch, NRZ, 15.10.2024 ·

· «Dinslaken: Arzt betäubte Geliebte, um Sexfantasien auszuleben», Bodo Malsch, NRZ, 05.11.2024 ·

· «Geliebte betäubt und vergewaltigt: Urteil für Dinslakener Arzt», Bodo Malsch, NRZ, 19.11.2024 ·