Berlin

 

 

Berliner Palliativarzt

wegen mutmaßlichen Mordes

an 15 Patient*innen angeklagt

Ermittlungen in 75 weiteren Fällen

 

 

 

 

Ein 40-jähriger Palliativmediziner aus Berlin steht unter schwerem Verdacht, mindestens 15 Menschen getötet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat den deutschen Arzt nun wegen Mordes angeklagt, wie am 16. April 2025 bekannt wurde. Ursprünglich war man von vier Todesfällen ausgegangen, doch die Zahl der mutmaßlichen Betroffenen ist deutlich gestiegen – und könnte weiter zunehmen, da parallel noch in 75 weiteren Fällen ermittelt wird.

 

 

Straftaten

Der Mediziner, dessen Aufgabe eigentlich die Schmerzlinderung bei Schwerstkranken war, soll im Rahmen seiner Tätigkeit für einen Berliner Pflegedienst zwischen dem 22. September 2021 und dem 24. Juli 2024 gezielt getötet haben. Sein Vorgehen war dabei besonders heimtückisch: Den zwölf Frauen und drei Männern verabreichte er laut Anklage «ein tödliches Gemisch verschiedener Medikamente», ohne dass dafür eine medizinische Notwendigkeit bestand und – besonders bestürzend – «ohne deren Wissen und Zustimmung».

 

Als die Verbrechen aufzufallen drohten, griff der Arzt offenbar zu drastischen Vertuschungsmaßnahmen: Er legte Brände bei seinen Patienten, vermutlich um die Todesursachen zu verschleiern und Beweise zu vernichten. Gerade diese Brandstiftungen wurden zum Ausgangspunkt der Ermittlungen, die schließlich zur Entdeckung der mutmaßlichen Mordserie führten.

 

 

Betroffene

Die Liste der Menschen, die ihr Leben verloren haben, zeigt eine traurige Bandbreite: Die jüngste Person war eine erst 25-jährige Frau, die älteste eine 94-Jährige. Alle Betroffenen waren Patienten des palliativmedizinischen Dienstes, bei dem der Beschuldigte tätig war. Sie befanden sich in einer besonders verletzlichen Situation – als Schwerstkranke waren sie auf Hilfe und medizinische Betreuung angewiesen und vertrauten dem Arzt, der dieses Vertrauen auf furchtbare Weise missbraucht haben soll.

 

 

Motiv

Die Frage nach dem Motiv bleibt teilweise im Dunkeln. Anfänglich nannte die Staatsanwaltschaft «Mordlust» als Hintergrund für die Taten. Von dieser Einschätzung rückte sie jedoch ab, da der Arzt offenbar selektiv vorging und ausschließlich seine Patienten als Ziel wählte, nicht aber willkürlich andere Menschen tötete. Staatsanwaltschaftssprecher Sebastian Büchner erklärte, man sehe nun «niedrige Beweggründe und Heimtücke» als Mordmerkmale.

 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz verweist in solchen Fällen häufig auf «Machtfantasien, Eigensucht und Selbstüberschätzung» als psychologische Hintergründe, wie Vorstand Eugen Brysch erklärte. Er wies darauf hin, dass gerade im ambulanten Bereich Täter ein «zu leichtes Spiel» hätten, weil der Tod bei schwerstkranken Menschen nicht überrasche und Auffälligkeiten im mobilen Einsatz nur sehr eingeschränkt erkennbar seien.

 

 

Ermittlungsprozess

Seit August 2024 sitzt der Palliativarzt in Untersuchungshaft. Die Ermittlungsarbeiten gestalten sich aufwändig und belastend: Bislang wurden zwölf Leichen exhumiert und gerichtsmedizinisch untersucht, fünf weitere Ausgrabungen sind bereits geplant. Eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe des Berliner Morddezernatss im Landeskriminalamt (LKA) arbeitet akribisch an der Aufklärung und wertet Hunderte Patientenakten aus.

 

Hinweise von Pflegediensten und anderen Beteiligten spielten bei der Aufdeckung eine wesentliche Rolle. Der betroffene Pflegedienst reagierte mit Bestürzung: «Wir waren erschüttert über das Ausmaß der Ermittlungen und sind es auch angesichts der aktuellen Erkenntnisse», teilte die Geschäftsführung mit. «Wir haben intensiven Anteil an der Aufklärung der Hergänge und kooperieren weiterhin bestmöglich mit der Staatsanwaltschaft.»

 

 

Konsequenzen

Die Staatsanwaltschaft verfolgt nun mehrere Ziele mit der Anklage: Sie strebt neben einer Verurteilung wegen Mordes auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld an, was eine vorzeitige Haftentlassung faktisch ausschließen würde. Zudem werden eine anschließende Sicherungsverwahrung sowie ein lebenslanges Berufsverbot für den Mediziner beantragt.

 

Die Ermittler prüften auch, ob der Beschuldigte während seiner früheren Tätigkeiten in Köln und Frankfurt am Main weitere Menschen getötet haben könnte. In Köln war er jedoch noch nicht als Palliativmediziner beschäftigt, und bei den Frankfurter Fällen wurden laut Staatsanwaltschaft «keine Auffälligkeiten festgestellt».

 

Während der Fall weiter aufgearbeitet wird, stehen noch Ermittlungen in 75 weiteren verdächtigen Todesfällen aus – die tatsächliche Dimension dieser zutiefst beunruhigenden Geschehnisse könnte also noch größer sein als bisher bekannt.

 

 

 

QUELLE

 

· « Mordverdacht: Palliativarzt soll mindestens 15 Menschen ermordet haben », Der Tagesspiegel, 16.04.2025 ·