
𝚆𝚒𝚎𝚗: 𝙵𝚛𝚊𝚞𝚎𝚗𝚊𝚛𝚣𝚝 𝚟𝚎𝚛𝚐𝚎𝚠𝚊𝚕𝚝𝚒𝚐𝚝𝚎 𝚣𝚠𝚎𝚒 𝙹𝚊𝚑𝚛𝚣𝚎𝚑𝚗𝚝𝚎 𝚕𝚊𝚗𝚐 𝚖𝚎𝚑𝚛𝚏𝚊𝚌𝚑 𝙿𝚊𝚝𝚒𝚎𝚗𝚝𝚒𝚗𝚗𝚎𝚗 ‧ 𝙱𝚎𝚛𝚒𝚌𝚑𝚝𝚎𝚛𝚜𝚝𝚊𝚝𝚝𝚞𝚗𝚐 𝚋𝚕𝚒𝚎𝚋 𝚊𝚞𝚜
Ähnlich wie im Fall des Berliner Frauenarztes konnte auch ein österreichischer Frauenarzt über zwei Jahrzehnte hinweg die Vergewaltigungen mehrerer Patientinnen fortführen – trotz einer Verurteilung.
Erst im Jahr 2024 wurde dem schließlich ein Ende gesetzt – eine Haftstrafe blieb jedoch aus.
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__Übersicht der Taten__
Taten zwischen 1999 und 2002:
• Januar 1999: Der Arzt küsste eine Patientin an der Innenseite der Oberschenkel und führte ihr mit einem Finger in die Vagina ein.
• 24. Februar 1999: Der Arzt griff einer Patientin unter den Pullover, massierte ihre Brustwarzen, berührte ihren Genitalbereich mit dem Ellbogen, streichelte sie im Genitalbereich und führte ihr zwei oder drei Finger in die Vagina ein.
• 3. Februar 2000: Der Arzt griff einer Patientin zwischen die Beine, drückte sie nieder, versuchte sie auf den Mund zu küssen und küsste sie anschließend auf den Bauch.
• 19. Januar 2001: Ohne medizinische Indikation führte er mehrere Finger in die Vagina einer Patientin ein.
• 16. Oktober 2002: Während einer Massage führte er einer Patientin Finger in die Vagina ein und forderte sie auf, ihre Hand auf sein erigiertes Glied zu legen bzw. führte ihre Hand dorthin.
Tat im Jahr 2020:
• 17. November 2020: Während seiner Tätigkeit als Frauenarzt drang der Beschwerdeführer ohne gynäkologische Indikation mit seinen Fingern in die Vagina einer Patientin ein und massierte ihre Klitoris.
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__ORIGINAL-TEXT__
__Entscheidungsdatum__
*__02.01.2024__*
__Spruch__
W170 2275399-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch WALCH ZEHETBAUER MOTTER Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 30.05.2023, Zl. TAR § 27-108/2022-Mag.LM/mg, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
__Text__
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist Mediziner mit einer Ausbildung als Arzt für Allgemeinmedizin sowie als Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Er war von 1986 bis 2003 und von 2006 bis zum 01.03.2021 in der Ärzteliste eingetragen.
1.2. Am 17.11.2020 hat der Beschwerdeführer in XXXX , während er als
Frauenarzt
tätig war, somit als Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes, an einer berufsmäßig betreuten Person, nämlich seiner Patientin XXXX , unter Ausnützung seiner Stellung dieser Person gegenüber eine geschlechtliche Handlung vorgenommen,
indem er ohne gynäkologische Indikation mit seinen Fingern vorsätzlich in deren Vagina eingedrungen ist und ihre Klitoris massiert hat.
Wegen dieses Vorfalls wurde gegen den Beschwerdeführer ein Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom 28.12.2020, 18 St 225/20g, eingebracht. __Das Strafverfahren wurde vom Landesgericht Wiener Neustadt, nachdem der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung der Strafsache die Tat eingestanden hat, sich freiwillig aus der Ärzteliste hat streichen lassen und nach Zahlung einer Geldbuße sowie Leistung einer Schadensgutmachung an das oben genannte Opfer, mit Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 26.04.2021, 37 Hv 118/20i, eingestellt (Diversion).__
Während der Beschwerdeführer vor dem Strafgericht, um eine Diversion zu erlangen, die Vorwürfe (zumindest am Ende der mündlichen Verhandlung) einräumte, weist er diese vor dem Bundesverwaltungsgericht wieder von sich. Es ist seitens des Beschwerdeführers keine diesbezügliche Reue zu erkennen.
1.3. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 09.10.2000, DkN 5/2000, wurde der Beschwerdeführer wegen Disziplinarvergehen schuldig gesprochen,
nämlich (1.) im Jänner 1999 die Patientin XXXX an der Innenseite ihrer Oberschenkel geküsst zu haben und ihr mit einem Finger in die Scheide gefahren zu sein, (2.) am 24.02.1999 der Patientin XXXX unter den Pullover gegriffen, ihre Brustwarzen massiert, mit dem Ellbogen ihren Genitalbereich berührt, sie nach dem seitlichen Hineinfahren in die Unterhose im Genitalbereich gestreichelt zu haben und dann mit zwei oder drei Fingern in ihre Scheide gefahren zu sein und (3.) am 03.02.2000 der Patientin XXXX zwischen die Beine gegriffen, sie niedergedrückt und versucht zu haben, ihr einen Kuss auf den Mund zu geben, und sie dann auf den Bauch geküsst zu haben.
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25.06.2001, DkN 2/2001, wurde der Beschwerdeführer wegen Disziplinarvergehen schuldig gesprochen, nämlich am 19.01.2001 in seiner Ordination in XXXX ,
ohne dass es medizinisch indiziert gewesen wäre, mehrere Finger in die Scheide der Patientin XXXX eingeführt zu haben.
Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 04.02.2003, DkN26/2002, wurde der Beschwerdeführer wegen Disziplinarvergehen schuldig gesprochen,
nämlich (1.) am 16.10.2002 bei der Massage der Zeugin XXXX dieser Finger in die Scheide eingeführt und sie aufgefordert zu haben, ihre Hand auf sein erigiertes Glied zu legen bzw. ihre Hand dorthin geführt zu haben und (2.) die ärztliche Tätigkeit auch nach Zustellung eines dies vorläufig untersagenden Beschlusses des Disziplinarrates vom 28.11.2002 am 09.12.2002 ausgeübt zu haben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bezeichnete der Beschwerdeführer die Vorwürfe, mit Ausnahme des Vorwurfs, die ärztliche Tätigkeit auch nach Zustellung eines dies vorläufig untersagenden Beschlusses des Disziplinarrates vom 28.11.2002 am 09.12.2002 ausgeübt zu haben, die zu den oben bezeichneten Disziplinarerkenntnissen des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, führten als grotesk. Es ist nicht zu erkennen, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich dieser in den (rechtskräftigen) Disziplinarerkenntnissen festgestellten Taten die Verantwortung übernimmt.
Lediglich das Fehlverhalten hinsichtlich des Vorwurfs, die ärztliche Tätigkeit auch nach Zustellung eines dies vorläufig untersagenden Beschlusses des Disziplinarrates vom 28.11.2002 am 09.12.2002 ausgeübt zu haben, räumt der Beschwerdeführer ein; allerdings entschuldigt er diese Handlung mit finanziellen Überlegungen, eine diesbezügliche Reue war in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu erkennen.
1.4. Seit 02.10.2023 arbeitet der Beschwerdeführer in der Vergiftungsinformationszentrale. Obwohl der Beschwerdeführer bereits vor Arbeitsantritt vom Personalchef der Vergiftungsinformationszentrale darauf angesprochen wurde, dass die Beiträge für die Ärztekammer von der Vergiftungsinformationszentrale getragen werden würden, hat er die Tätigkeit trotzdem aufgenommen, ohne auf die fehlende Eintragung in die Ärzteliste hinzuweisen, weil der Beschwerdeführer die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abwarten wollte, bevor er diesen Umstand thematisiert.
In der Vergiftungsinformationszentrale ist der Beschwerdeführer ausschließlich am Telefon tätig und hat keinen persönlichen Patientenkontakt. Wird er in der Vergiftungsinformationszentrale von einem Anrufer kontaktiert, ist es Aufgabe des Beschwerdeführers zu erfragen, wer, also etwa ob ein Kind oder ein Erwachsener (auch das Gewicht einer Person spielt eine Rolle) was wann zu sich genommen hat. Dann klärt der Beschwerdeführer unter Zuhilfenahme einer entsprechenden Datenbank, wie vorzugehen ist.
Neben dem Beschwerdeführer sind alle mit einer gleichartigen Tätigkeit beschäftigten Personen in der Vergiftungsinformationszentrale Ärzte, im Nachtdienst ist immer nur ein Arzt bzw. der Beschwerdeführer (als Mediziner) ohne Anwesenheit eines Arztes im Dienst.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zu 1.1. ergeben sich aus der Aktenlage und den damit korrespondierenden Angaben des Beschwerdeführers.
2.2. Die Feststellungen zu 1.2. hinsichtlich der Ereignisse vom 17.11.2020 ergeben sich aus dem Akt des Landesgerichts Wiener Neustadt, der den Parteien in den wesentlichen, im hg. Verfahren verwerteten Bestandteilen vor der Verhandlung übermittelt und in die mündliche Verhandlung eingeführt wurde, sodass auf eine Verlesung gemäß § 25 Abs. 6a VwGVG verzichtet werden konnte.
Die gegenständlichen Feststellungen werden insbesondere aus den Aussagen des Opfers XXXX, auf deren unmittelbare Einvernahme der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 05.10.2023 verzichtet hat, und dem Eingeständnis des Beschwerdeführers vor dem Landesgericht Wiener Neustadt getragen.
Dem steht die leugnende Aussage des Beschwerdeführers hinsichtlich der Taten vom 17.11.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer einerseits den Eindruck vermittelt hat, jeweils zu sagen, was er für sich als am Besten hält; um die Diversion zu erlangen und somit schlechtes Licht durch eine Verurteilung von seinem damaligen Unternehmen abzuwenden, habe er vor der Landesgericht die Tat gestanden, um wieder in die Ärzteliste eingetragen zu werden, leugnet er diese vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Andererseits leugnet der Beschwerdeführer weiterhin auch die Taten, die den unter 1.3. festgestellten Disziplinarerkenntnissen des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu Grunde liegen, und bezeichnet die Vorwürfe als grotesk, obwohl – wie dargestellt – Rechtskraft dieser Disziplinarerkenntnisse vorliegt und daher das Bundesverwaltungsgericht an diese im Spruch befindlichen Feststellungen gebunden ist (siehe zur gegenseitigen Bindung der Gerichte und der Verwaltungsbehörden hinsichtlich des Inhalts des Spruchs VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0081). Es leidet die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers darunter, dass er die Taten weiterhin leugnet, was beweiswürdigend zu berücksichtigen ist.
Insgesamt erscheint daher die in das Verfahren eingebrachte, im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gleichbleibende Aussage des Opfers XXXX – die im Strafverfahren unter strafbewehrter Wahrheitspflicht stand – viel glaubwürdiger als die ständig wechselnden Aussagen des Beschwerdeführers, zumal dieser ja bereits – wenn auch vor Jahrzehnten – ähnliche Taten gesetzt und für diese rechtskräftig mit Disziplinarerkenntnissen des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland bestraft wurde.
Der Vorsatz ergibt sich aus der (zu diesem Zeitpunkt geständigen) Verantwortung des Beschwerdeführers vor dem Landesgericht Wiener Neustadt.
Dabei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer – aus welchen Gründen auch immer – die Diversion als Mittel der Erledigung des gegen ihn geführten Strafverfahrens hingenommen hat, nicht ohne Weiteres auf die Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfes geschlossen werden kann (VwGH 24.03.2010, 2009/03/0049), aber in Würdigung der vorliegenden Beweise – insbesondere der Aussagen des Opfers und des Beschwerdeführers vor dem Landesgericht Wiener Neustadt – sind die gegenständlichen Feststellungen zum Vorfall vom 17.11.2020 zu treffen.
Mangels eines entsprechenden Tatsachengeständnisses vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte auch keine Reue hinsichtlich der Vorfälle vom 17.11.2020 erkannt werden (siehe hiezu VwGH 26.02.2009, 2009/09/0031, VwGH 13.10.2023, Ra 2023/09/0165).
2.3. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich aus den im Akt einliegenden, den Parteien vorgehaltenen Disziplinarerkenntnissen des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland, deren Rechtskraft auch der Beschwerdeführer bestätigt hat sowie – hinsichtlich der Verantwortung des Beschwerdeführers – aus dessen Aussagen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
2.4. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich aus den – der Entscheidung als wahr unterstellten – Angaben des Beschwerdeführers.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Sache des Beschwerdeverfahrens nur durch den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides determiniert wird, nicht durch den Grund, warum es zum Inhalt des Spruches gekommen ist (VwGH 21.01.2016, Ra 2015/12/0027), das bedeutet, dass das Verwaltungsgericht alle Gründe, die zum von der Behörde ausgesprochenen Ergebnis führen können bzw. könnten, zu prüfen hat und es auch Sachverhaltselemente, die bei der Prüfung auf Grund der Beschwerde im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen sind, seiner Entscheidung zu Grunde legen darf und muss (VwGH 23.02.2018, Ro 2017/03/0025).
Gegenständlich ist daher auch zu prüfen, ob die aktuelle Beschäftigung des Beschwerdeführers, die naturgemäß durch den Bescheid noch nicht abgedeckt wurde, seiner Verlässlichkeit entgegensteht (siehe dazu unten, ab 3.4.).
3.2. Gemäß § 27 Abs. 10 ÄrzteG hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht, dies mit Bescheid (von Amts wegen in einem Zwischenverfahren) festzustellen; werden diese Feststellungen rechtskräftig, ist der Präsident der Österreichischen Ärztekammer bei der Erledigung des Antrages auf Eintragung in die Ärzteliste an diese Feststellungen gebunden.
Gemäß § 4 Abs. 1 ÄrzteG bedarf es zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes – gemäß § 3 Abs. 2 ÄrzteG besteht die selbständige Ausübung des ärztlichen Berufes in der eigenverantwortlichen Ausführung der im § 2 Abs. 2 und 3 ÄrzteG umschriebenen Tätigkeiten, gleichgültig, ob solche Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausgeübt werden – als approbierter Arzt, Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt oder Arzt mit partiellem Berufszugang (§ 5a Abs. 1a), unbeschadet der §§ 34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste; gemäß § 4 Abs. 2 ÄrzteG sind allgemeine Erfordernisse im Sinne des § 4 Abs. 1 ÄrzteG (1.) die Handlungsfähigkeit in allen Belangen im Hinblick auf die Berufsausübung, (2.) die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit, (3.) die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung, (4.) ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, sowie (5.) ein rechtmäßiger Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet, mit dem das Recht auf Ausübung einer selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit verbunden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet Vertrauenswürdigkeit im Sinne des ÄrzteG, dass sich Patienten darauf verlassen können, dass ein Arzt bei Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht. Es sind demnach insbesondere strafbare Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes, aber auch sonstige Straftaten geeignet, die Vertrauenswürdigkeit eines Arztes zu erschüttern, sofern sich darin ein Charakter manifestiert, der auch in Zukunft die Begehung strafbarer Handlungen bei der Ausübung des ärztlichen Berufes befürchten lässt (VwGH 20.06.2006, 2004/11/0202; VwGH 24.07.2013, 2010/11/0075; VwGH 13.01.2022, Ra 2021/11/0007); allerdings kann Vertrauensunwürdigkeit nicht nur durch strafbare Handlungen, sondern auch durch sonstige Berufspflichtverletzungen begründet werden (VwGH 16.11.2017, Ro 2016/11/0020; VwGH 13.01.2022, Ra 2021/11/0007).
Es ist aber darauf hinzuweisen, dass § 27 Abs. 3 ÄrzteG im Zusammenhang mit der Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit und mit der Eintragung in die Ärzteliste vorsieht, dass der Nachweis der Vertrauenswürdigkeit des Arztes durch eine Strafregisterbescheinigung oder eine vergleichbare Bescheinigung zu erbringen ist, in der keine Verurteilung aufscheint, die eine verlässliche Berufsausübung nicht erwarten lässt. Daraus ist abzuleiten, dass bestimmte, strafbare Handlungen das allgemeine Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit im Sinn des § 18 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG beeinträchtigen oder ausschließen können. Aus § 27 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ergibt sich aber nicht, dass der Verlust der Vertrauenswürdigkeit nur durch die Begehung von Straftaten herbeigeführt werden kann, weil diese Bestimmung schon wegen ihres systematischen Zusammenhanges – § 27 ÄrzteG behandelt die (erstmalige) Aufnahme einer ärztlichen Tätigkeit – Pflichtverletzungen im Rahmen einer bisherigen ärztlichen Tätigkeit nicht vor Augen hat (siehe zu alledem VwGH 24.02.2005, 2003/11/0252).
3.3. Gemäß § 212 Abs. 2 Z 1 1. Fall StGB begeht unter anderem das Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses, wer als Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes mit einer berufsmäßig betreuten Person, unter Ausnützung seiner Stellung dieser Person gegenüber eine geschlechtliche Handlung __[was ist der Unterschied zwischen Finger in Vagina und Finger in Vagina?]__ vornimmt.
Dass das diesbezügliche Strafverfahren mit Diversion erledigt wurde, steht einer Bedachtnahme auf diesen Vorfall nicht entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Bescheides vorliegen, nicht entscheidend ist, ob die Strafverfolgungsbehörde wegen des strittigen Vorfalls von einer Verfolgung – allenfalls nach diversionellem Vorgehen – Abstand genommen hat, weil diese Entscheidung für die Behörde keine Bindungswirkung entfaltet (VwGH 29.01.2015, Ra 2015/03/0002). Nichts Anderes gilt, wenn nicht die Staatsanwaltschaft nach § 198 StPO von der Verfolgung zurücktritt, sondern gemäß § 199 StPO das Gericht unter sinngemäßer Anwendung der für die Staatsanwaltschaft geltenden Bestimmungen der §§ 198 und 200 bis 209b StPO die Diversion beschließt (VwGH 07.05.2020, Ra 2019/03/0091).
Der Beschwerdeführer hat am 17.11.2020 in XXXX , während er als
Frauenarzt
tätig war, somit als Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes, an einer berufsmäßig betreuten Person, nämlich seiner Patientin XXXX , unter Ausnützung seiner Stellung dieser Person gegenüber eine geschlechtliche Handlung vorgenommen, indem er ohne gynäkologische Indikation mit seinen Fingern vorsätzlich in ihre Vagina eingedrungen ist und ihre Klitoris massiert hat.
Der Beschwerdeführer hat durch diese Tathandlungen eine vorsätzliche gerichtlich strafbare Handlung gegen die sexuelle Selbstbestimmung einer seiner Patientinnen gesetzt, nämlich einen Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses gemäß § 212 Abs. 2 Z 1 1. Fall StGB, während er als Arzt tätig war.
Darüber hinaus lassen die Vorfälle aus den Jahren 1999 bis 2002, bei denen es ebenfalls zum Missbrauch des Autoritätsverhältnisses durch den Beschwerdeführer gegenüber Patientinnen gekommen ist, während dieser als Arzt tätig war, darauf schließen,
dass der Beschwerdeführer charakterlich dazu neigt, seine Stellung als Arzt gegenüber seinen Patientinnen zur Befriedigung seiner Gelüste auszunützen.
Dass zwischen 2002 und 2020 keine Vorfälle aktenkundig geworden sind, steht diesem Schluss nicht entgegen, da der Beschwerdeführer nunmehr offenbar in sein früheres Fehlverhalten zurückgefallen ist.
Es können sich daher zukünftige (potentielle) Patientinnen des Beschwerdeführers nicht darauf verlassen, dass der Beschwerdeführer bei der Ausübung des ärztlichen Berufes den Berufspflichten nach jeder Richtung entspricht, insbesondere, dass er seine Stellung nicht ausnützt,
um an diesen zukünftigen (potentiellen) Patientinnen sexuelle Handlungen durchzuführen.
Daher liegt die Vertrauenswürdigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG hinsichtlich des Beschwerdeführers nicht vor und ist die Beschwerde schon aus diesem Grund abzuweisen, zumal ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers insoweit nur bedingt vorliegt, als die relevante Tat erst etwas mehr als drei Jahre zurückliegt und der Beschwerdeführer in dieser Zeit nicht „am Patienten“ tätig war, und darüber hinaus eine Wiederholung seines schädlichen Verhaltens vorliegt.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer (nunmehr) „nur“ einer ärztlichen Tätigkeit (siehe dazu unten ab 3.4.) nachgehen will, die vor allem telefonische Beratung umfasst, weil der Begriff der Vertrauenswürdigkeit ein einheitlicher ist, dem Gesetz lässt sich nicht entnehmen, dass die Vertrauenswürdigkeit nach der vorgebrachten Tätigkeit des Eintragungswerbers zu beurteilen ist, sondern handelt es sich um einen einheitlichen Begriff, der bei der Eintragung gegeben sein muss.
Dabei übersieht das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass gemäß § 59 Abs. 2 ÄrzteG, nachdem die Gründe für das Erlöschen der Berechtigung nach § 59 Abs. 1 ÄrzteG auch von Amts wegen wahrzunehmen sind, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer bei einer Beeinträchtigung der gesundheitlichen Eignung oder Vertrauenswürdigkeit zum Zweck der Sicherstellung der Erfüllung der Berufspflichten mit Bescheid Auflagen, Bedingungen oder Befristungen vorschreiben kann. Das Eintragungsverfahren nach § 27 ÄrzteG kennt eine diesbezüglich vergleichbare Norm nicht; dies erscheint auch sachgerecht, weil in einer abstrakten Betrachtung die Streichung von der Ärzteliste ein schwerwiegenderer Eingriff ist als die Nichteintragung. Zumal der Beschwerdeführer auch freiwillig auf die Eintragung verzichtet hat und er nur auf diesem Weg im oben genannten Strafverfahren die Diversion erreichen konnte und zumal er dadurch auch ein nachfolgendes Disziplinarverfahren nach dem ÄrzteG verhindern konnte, kann das Bundesverwaltungsgericht hier nicht erkennen, dass der Gesetzgeber gleiche Sachverhalte unterschiedlich geregelt hat und dadurch im hier zu beurteilenden Einzelfall eine unsachliche Ungleichbehandlung verursacht hat.
3.4. Gemäß § 2 Abs. 1 ÄrzteG ist (nur) der Arzt zur Ausübung der Medizin berufen (Ärztevorbehalt), gemäß § 2 Abs. 2 ÄrzteG umfasst die Ausübung des ärztlichen Berufes jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird, insbesondere (1.) die Untersuchung auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen von körperlichen und psychischen Krankheiten oder Störungen, von Behinderungen oder Missbildungen und Anomalien, die krankhafter Natur sind, (2.) die Beurteilung von in Z 1 angeführten Zuständen bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel, (3.) die Behandlung solcher Zustände (Z 1), (4.) die Vornahme operativer Eingriffe einschließlich der Entnahme oder Infusion von Blut, (5.) die Vorbeugung von Erkrankungen, (6.) die Geburtshilfe sowie die Anwendung von Maßnahmen der medizinischen Fortpflanzungshilfe, (6a.) die Schmerztherapie und Palliativmedizin, (7.) die Verordnung von Heilmitteln, Heilbehelfen und medizinisch diagnostischen Hilfsmitteln und (8.) die Vornahme von Leichenöffnungen.
Seit 02.10.2023, also im laufenden Verfahren, arbeitet der Beschwerdeführer in der Vergiftungsinformationszentrale. Zwar ist der Beschwerdeführer in der Vergiftungsinformationszentrale ausschließlich am Telefon tätig und hat keinen persönlichen Patientenkontakt, er wird jedoch von einem Anrufer kontaktiert und ist es dann seine Aufgabe zu erfragen, wer, also etwa ob ein Kind oder ein Erwachsener (auch das Gewicht einer Person spielt eine Rolle) was wann zu sich genommen hat. Dann klärt der Beschwerdeführer unter zu Hilfenahme einer entsprechenden Datenbank, wie vorzugehen ist.
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts handelt es sich hiebei um eine Tätigkeit, die einerseits auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründet ist und andererseits zumindest mittelbar für den Anrufer (oder die Person, für die der Anrufer die Vergiftungsinformationszentrale kontaktiert hat) durchgeführt wird. Jedenfalls entspricht auch die telefonische Anamnese nach einer potentiellen Vergiftung einer Beurteilung eines ein Krankheitsbild erfüllenden Zustandes bei Verwendung medizinisch-diagnostischer Hilfsmittel. Daher ist die Definition der ärztlichen Tätigkeit im Sinne des § 2 ÄrzteG erfüllt und unterliegt die vom Beschwerdeführer im Nachtdienst auch alleine, das heißt jedenfalls dann ohne weitere ärztliche Aufsicht, aufgenommene Tätigkeit dem Ärztevorbehalt des ÄrzteG.
Obwohl der Beschwerdeführer bereits vor Arbeitsantritt vom Personalchef der Vergiftungsinformationszentrale darauf angesprochen wurde, dass Beiträge für die Ärztekammer von der Vergiftungsinformationszentrale getragen werden würden, hat er die Tätigkeit trotzdem aufgenommen, ohne auf die fehlende Eintragung in die Ärzteliste hinzuweisen oder sich beim Präsidenten der Ärztekammer als zuständige Behörde zu informieren, ob er dies dürfe (siehe zur Notwendigkeit, solche Informationen einzuholen VwGH 27.04.2017, Ro 2016/02/0020), weil der Beschwerdeführer die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abwarten wollte, bevor er diesen Umstand thematisiert.
Auch diese nicht erstmalige Verletzung (siehe Pkt. 2. des Erkenntnisses des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 04.02.2003, DkN26/2002) des Ärztevorbehalts bei der Durchführung ärztlicher Tätigkeiten – eine Tätigkeit während eines Berufsverbotes ist hier gleichzuhalten – durch den Beschwerdeführer spricht für sich gegen seine Verlässlichkeit, weil der Beschwerdeführer hier trotz einer früher erfolgten rechtskräftigen Bestrafung wieder gegen wesensgleiche Regelungen des ÄrzteG, die der Verhinderung ärztlicher Tätigkeit durch nicht vertrauenswürdige Personen oder Personen, deren Vertrauenswürdigkeit noch nicht abschließend geprüft ist, verstoßen hat. Auch spricht dieser Umstand gegen die Ausführungen des Beschwerdeführers, er wolle „nur“ mehr in der Vergiftungsinformationszentrale arbeiten, da der Beschwerdeführer bewiesen hat, für finanzielle Vorteile sogar gegen das Gesetz zu verstoßen. So sich eine lukrative Alternative einer ärztlichen Tätigkeit ergeben würde, ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht weiterhin „nur“ bei der Vergiftungsinformationszentrale, wo er keinen Patientenkontakt hat, arbeiten würde.
3.5. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Nichteintragung würde einem Berufsverbot gleichkommen, ist er darauf zu verweisen, dass gegenständlich nur die Feststellung des Nichtvorliegens der Eintragungserfordernisse Verfahrensgegenstand ist, auch wenn die Abweisung seiner Beschwerde mehr oder weniger unmittelbar zur Nichteintragung führt. Dieses (partielle) Berufsverbot ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes im Lichte der Wichtigkeit der Vertrauenswürdigkeit von Ärzten aber gerechtfertigt,
weil sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können müssen, dass Ärzte sie lege artis behandeln und insbesondere nicht ihr Autoritätsverhältnis gegenüber ihren Patientinnen oder ihren Patienten ausnützen (siehe etwa zur Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte in einem weit weniger schwerwiegenden Fall VfGH 28.06.1990, B545/89).
Darüber hinaus ist es dem Beschwerdeführer ja nicht verboten, sein medizinisches Wissen bzw. seine dementsprechende Ausbildung in anderer Art und Weise beruflich zu verwerten, etwa als sachverständiger Referent einer Versicherung oder dergleichen.
__Die Beschwerde ist daher abzuweisen.__
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Auf Grund der unter A) dargestellten, der Entscheidung unterstellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzliche Rechtsfrage erkennen; die Revision ist daher nicht zulässig.
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