Ludwigsburg

 

 

Arzt wegen sexueller Belästigung einer Patientin in Ludwigsburg verurteilt

 

 

 

Ein Mediziner musste sich vor dem Amtsgericht verantworten, nachdem er eine junge Frau während einer Zeckenentfernung unsittlich berührt hatte. Seine Verteidigung überzeugte das Gericht nicht.

 

Übergriff in der Notfallpraxis

Eine 26-jährige Frau musste vor dem Ludwigsburger Amtsgericht einen Vorfall schildern, der sich im Juni 2023 ereignete und den sie am liebsten vergessen würde. An einem Freitagabend hatte sie gemeinsam mit ihrem Freund die Notfallpraxis in der Erlachhofstraße aufgesucht, weil sie eine Zecke am hinteren Oberschenkel entdeckt hatte, die weder sie noch ihr Partner zu entfernen wagten.

Um die Behandlung zu erleichtern, trug die junge Frau bewusst eine kurze Sportleggins, damit die betroffene Stelle ohne Herunterziehen der Hose zugänglich war. Der diensthabende Arzt begann die Behandlung jedoch mit Bemerkungen über ihre «muskulösen Beine».

 

Unangemessene Berührungen während der Behandlung

Was folgte, war laut Aussage der Frau eine höchst unangemessene Behandlung. Der Mediziner massierte nicht nur den betroffenen Oberschenkel, sondern auch ihr Gesäß und die Innenseiten der Oberschenkel. Er zog ein Hosenbein so weit hoch, dass eine Pobacke entblößt wurde. Nach der eigentlichen Zeckenentfernung, die erst auf Nachfrage erfolgte, setzte er ein ultraschallähnliches Gerät ein und verteilte großflächig eine Flüssigkeit, während er weiter Schenkel und Gesäß massierte.

Zum Abschluss der Behandlung gab der Arzt der Patientin einen Klaps auf das Gesäß und ließ das hochgezogene Hosenbein zurückschnalzen. Die junge Frau berichtete, wie sie von dem Mediziner so bedrängt wurde, dass sie die Liege nur mit Mühe verlassen konnte – sie musste sich auf dem Bauch robbend fortbewegen.

Erst nach Verlassen der Praxis realisierte die Betroffene vollständig, was geschehen war, und erstattete noch in derselben Nacht Anzeige bei der Polizei.

 

Haarsträubende Verteidigung vor Gericht

Der beschuldigte Arzt bestritt durch seinen Anwalt die Vorwürfe. Laut seiner Darstellung befand sich die Zecke genau zwischen Oberschenkel und Pobacke, weshalb er das Hosenbein hochziehen musste. Er räumte ein, mit der Hand über die Stelle gefahren zu sein, bestritt jedoch jegliche massierende Bewegungen. Den Klaps auf das Gesäß stritt er ab, schloss aber nicht aus, seine Hand auf den Hintern der Patientin gelegt zu haben.

Das schnalzende Geräusch beim Herunterziehen der Hose führte er auf sein Kaugummi zurück. Die Verwendung eines Ultraschallgeräts bestritt er ebenfalls.

Der Verteidiger bezeichnete die Komplimente zu den Beinen der Frau als «selbstverständliche Höflichkeit eines Arztes» und stellte in Frage, warum die Patientin nicht bereits im Behandlungszimmer reagiert hatte.

 

Klares Urteil: 12.000 Euro Geldstrafe

Die Richterin schenkte den Ausführungen des Angeklagten keinen Glauben. «Ich bin überzeugt, dass sich die Tat genau so zugetragen hat», erklärte sie bei der Urteilsverkündung. Die Aussagen der 26-Jährigen hielt sie für glaubhaft: «Ihre plastischen Schilderungen sprechen für echtes Erleben.»

Das Gericht verhängte eine Geldstrafe von 12.000 Euro – höher als vom Staatsanwalt gefordert. Dieser hatte in seinem Plädoyer betont, wie besonders verwerflich es sei, wenn ein Mediziner das in ihn gesetzte Vertrauen auf diese Weise missbraucht.

 

Beunruhigende Vorgeschichte

Besonders alarmierend wirkt der Fall im Licht einer früheren Anzeige gegen denselben Arzt aus dem Jahr 2021. Auch dieser Vorwurf sexueller Belästigung soll sich in einer medizinischen Einrichtung in Ludwigsburg ereignet haben. Die damaligen Anschuldigungen weisen verstörende Parallelen zum aktuellen Fall auf: Massagen im Intimbereich und am Gesäß, großflächiges Verteilen und Einkneten einer Flüssigkeit sowie ein Schlag auf das Gesäß.

Diese frühere Anzeige wurde jedoch nicht weiterverfolgt, nachdem eine Psychologin der damaligen Anzeigenerstatterin die Glaubwürdigkeit abgesprochen hatte. Ein Umstand, der angesichts der aktuellen Verurteilung Fragen aufwirft und für die jetzige Betroffene eine zusätzliche emotionale Belastung darstellen dürfte – hätte man die frühere Anzeige ernster genommen, wäre ihr möglicherweise diese traumatische Erfahrung erspart geblieben.

Während der verurteilte Arzt bei seinen Kollegen in der Notfallpraxis geschätzt zu sein scheint und regelmäßig Dienste übernimmt, hat das Gericht mit seinem Urteil ein wichtiges Signal zum Schutz von Patientinnen vor Übergriffen gesetzt.

 

QUELLE

· «Arzt belästigt Patientin in Ludwigsburger Praxis», Christian Walf, Ludwigsburger Kreiszeitung, 05.10.2024 ·

· «Sexueller Übergriff in Ludwigsburger Praxis: Weitere Ermittlungen», Christian Walf, Ludwigsburger Kreiszeitung, 15.10.2024 ·