Elsterwerda

 

 

Sexuelle Übergriffe im Krankenhaus · Mehrere Patientinnen beschuldigen Arzt im Elbe-Elster Klinikum

Staatsanwaltschaft ermittelt: Frauen berichten von unangemessenen Berührungen während Untersuchungen

 

 

 

Im Elbe-Elster Klinikum sind schwerwiegende Vorwürfe gegen einen dort tätigen Arzt erhoben worden. Drei Frauen berichten übereinstimmend, dass der Mediziner sie während angeblicher Ultraschall-Untersuchungen an intimen Körperstellen berührt haben soll. Die Staatsanwaltschaft Cottbus hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses eingeleitet.

 

Die Vorwürfe im Detail

Die betroffenen Patientinnen schildern ähnliche Erfahrungen: Der Arzt habe sie zu Ultraschall-Untersuchungen des Bauches oder Brustkorbs in sein Behandlungszimmer gebeten – ohne Anwesenheit weiteren medizinischen Personals. Dort soll er sie unter dem Vorwand von «Entspannungsmassagen zur Wärmeregulierung» an den Brüsten und im Schambereich berührt haben.

Eine heute 43-jährige Patientin, die 2015 wegen chronischer Magenschmerzen behandelt wurde, berichtet: «Er hat mich erst an meinen Ohren gestreichelt, dann den Rücken massiert und auf einmal ist seine Hand in meine Hose gewandert.» Bei einem weiteren Termin habe der Arzt ihren BH öffnen wollen. «Ich habe sein steifes Glied an mir gespürt», sagt die Frau, die damals 38 Jahre alt war.

Die Frau gibt an, sie habe nach diesem Vorfall entschieden, nicht mehr zu dem Arzt zu gehen. Dieser habe sie jedoch privat angerufen, um einen weiteren Termin zu vereinbaren. «Bis mein Freund rangegangen ist. Dann war Schluss», erklärt sie.

 

Eine weitere Patientin, die zum Zeitpunkt der Untersuchungen etwa 30 Jahre alt war, berichtet von Massagen, die an den Schultern begannen und dann zu den Brustwarzen wanderten. Trotz ihrer Beschwerden, die sich auf Brustkorb und Bauch beschränkten, sei sie auch im Schambereich berührt worden. «Er sah erregt aus, als er meine Brüste massierte», sagt die Frau.

 

Die traumatische Erfahrung der Grenzüberschreitungen

Die Hausärztin Stefanie Frank bestätigt, dass mehrere ihrer Patientinnen unabhängig voneinander von solchen Erfahrungen berichtet hätten. Die Frauen schilderten übereinstimmend ein beunruhigendes Vorgehen: Bei Ultraschall-Untersuchungen habe der Arzt mit einem abgespreizten kleinen Finger den Schambereich unmittelbar an der Klitoris berührt.

Die Allgemeinmedizinerin stellt klar: «Es ist unmöglich, bei Untersuchungen des Magens oder auch des Brustkorbs den Intimbereich einer Frau zu berühren. Auch nicht aus Versehen. Ich mache jeden einzelnen Tag solche Untersuchungen. Es gibt einfach keinen Grund, den Intimbereich zu berühren.»

 

Dass die Anzeigen erst Jahre später erfolgten, zeigt die tiefe emotionale Belastung der Betroffenen. Eine der Frauen erklärt: «Weil man sich schämt und nicht weiß, ob das legitim ist, was er da macht.» Die 43-Jährige fügt hinzu: «Ich habe damals gedacht, dass ich die einzige Betroffene bin und vielleicht überreagiert habe. Und ich dachte, dass ich bei einer Anzeige keine Chance habe. Aussage gegen Aussage eben.»

Die Schwierigkeit, solche Erlebnisse zu verarbeiten und darüber zu sprechen, ist typisch für Menschen, die in einem Vertrauensverhältnis Grenzverletzungen erfahren haben. Besonders wenn es sich um medizinische Behandlungen handelt, bei denen Patientinnen sich in einer vulnerablen Position befinden.

 

Hinweise bereits seit Jahren ignoriert

Die Vorwürfe scheinen schon länger bekannt zu sein. Ehemalige Klinik-Mitarbeiter berichten, dass Beschwerden «immer wieder Thema in der Geschäftsführung» gewesen seien. Ein ehemaliger Arzt des Klinikums bestätigt dies und gibt an, vor Gericht aussagen zu wollen.

Dokumente belegen, dass der Landrat Christian Heinrich-Jaschinski bereits seit September 2019 von mindestens einer mutmaßlichen sexuellen Belästigung durch den betreffenden Arzt in Kenntnis gesetzt wurde. Auch Klinikum-Geschäftsführer Michael Neugebauer soll seit diesem Zeitpunkt informiert gewesen sein.

 

Ausbleibende Konsequenzen trotz Kenntnis der Vorwürfe

Sowohl der Landrat als auch der Klinikum-Geschäftsführer verweigern konkrete Antworten auf Nachfragen zu den Vorwürfen. Sie berufen sich auf Datenschutzgründe und den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Heinrich-Jaschinski erklärt lediglich, er vertraue «im vollen Umfang den Strafverfolgungsbehörden» und während seiner Dienstzeit sei «ein derartiges Fehlverhalten eines Mitarbeiters in keinem einzigen Fall festgestellt worden.»

Neugebauer äußert sich ähnlich: «Bis heute haben wir keinen einzigen Fall zu verzeichnen, in dem ein derartiges Fehlverhalten eines Mitarbeiters festzustellen war.» Eine gegenteilige Behauptung entbehre jeglicher tatsächlichen Grundlage.

Der beschuldigte Arzt hat über seinen Rechtsanwalt mitteilen lassen, die Vorwürfe seien unzutreffend. Untersuchungen ohne das Beisein von Schwestern oder anderem medizinischen Personal führe er nicht durch.

 

Der Fall wirft Fragen auf, welche Maßnahmen zum Schutz von Patientinnen notwendig sind und wie Gesundheitseinrichtungen mit Vorwürfen sexueller Übergriffe umgehen sollten. Trotz der laufenden Ermittlungen und der übereinstimmenden Berichte mehrerer Frauen praktiziert der beschuldigte Mediziner weiterhin am Elbe-Elster Klinikum.

Das Elbe-Elster Klinikum ist mit seinen Standorten in Herzberg, Finsterwalde und Elsterwerda ein wichtiger Gesundheitsversorger in der Region. Mit 454 Betten werden jährlich rund 40.000 Patienten stationär und ambulant behandelt. Als größter Arbeitgeber der Region beschäftigt das Klinikum etwa 1000 Mitarbeiter. Die Klinik ist eine hundertprozentige Tochter des Landkreises Elbe-Elster.

 

QUELLE

· «Elbe-Elster Klinikum: Frauen werfen Arzt sexuelle Belästigung vor», Henry Blumroth, Lausitzer Rundschau, 14. Januar 2021 ·