München · 2012

 

«Dr. Kalaschnikov»
Der Moosacher Frauenarzt

5 Kamera-Kugelschreiber & 700 Schusswaffen
68 Patientinnen
6 Mädchen & 7 Stunden Videomaterial

 

 

Der Münchner Frauenarzt filmte 68 Patientinnen mit über 7h Videomaterial während gynäkologischer Untersuchungen in seiner Praxis. Niemand ahnte etwas. Weder die Patientinnen, noch seine Ehefrau.  Der Frauenheilkundler, der in der Presse neben „Doktor Pervers" auch als „Doktor Kalaschnikov" bekannt wurde, filmte heimlich 68 Patientinnen bei gynäkologischen Untersuchungen per Kugelschreiber mit versteckter Kamera, die in seinem blütenweißen Arztkittel steckten. Zudem hortete Christian K., wie er zum Schutze seiner Persönlichkeit genannt wurde, ein Arsenal von über 700 Waffen.


Aufdeckung

Alles begann mit Beschwerden über Hygienemängel und fragwürdige Behandlungsmethoden in der Praxis des damals 66-jährigen Frauenarztes im Stadtbezirk Moosach, im Nordwesten von München. Als Kontrolleure der Regierung von Oberbayern am 20. September 2012 die Praxis inspizierten, stießen sie völlig unerwartet auf eine gewaltige Waffensammlung.

Die Entdeckung war nur der Anfang. Wenige Tage später, am 24. September, erschien der Arzt mit seinem Anwalt bei der Polizei und gestand ein weiteres Versteck: „In einem geheimen Keller hatte er seine besonderen Lieblinge versteckt. Drei Schränke, in denen normalerweise medizinisches Zubehör, Artzney oder Bürobedarf lagern, hatte er mit 300 Waffen voll gestopft".


Arsenal

Das Ausmaß der Sammlung war beinahe absurd:
• Über 700 Waffen samt Munition
• Darunter Maschinenpistolen, Maschinengewehre, Gewehre, Pistolen und Revolver
• Raritäten wie eine verkürzte MP vom Typ Uzi, speziell für den israelischen Geheimdienst Mossad angefertigt
• Eine Kalaschnikov Modell AK–47, ein US-Sturmgewehr vom Typ M16 und weitere Kriegswaffen
• Ein Gehstock, mit dem man schießen kann

Der Mediziner besaß legale Genehmigungen für 259 Waffen, hortete jedoch mehr als doppelt so viele. Vier Alarmanlagen sicherten seine Sammlung. Die Verstecke waren ausgeklügelt: Im Praxiskeller, hinter einer Holzverkleidung im Dachboden seines Hauses und in einem unterirdischen Bunker, den er in den 1980er Jahren „für den Fall eines Atomkrieges" gebaut hatte.


Aufnahmen

Noch verstörender als die Waffen war die Entdeckung zahlreicher intimer Aufnahmen von den Geschlechtsorganen und Intimbereichen zahlreicher Patientinnen, die nicht hätten ahnen können, was den Dr. med. wirklich motivierte. „Der Frauenarzt hortete auch jede Menge intime Fotos seiner Patientinnen. Die Polizei beschlagnahmte elektronische Datenträger, aber auch Videos und Dias".

Laut Anklage hatte Christian K. zwischen Februar 2010 und September 2012 heimlich 68 Frauen und Mädchen bei gynäkologischen Untersuchungen gefilmt. Die Staatsanwältin Nicole Selzam brauchte „den gesamten Vormittag zur Verlesung der Vorwürfe im Einzelnen". Allein die Video-Dateien beliefen sich auf eine insgesamte Dauer von über sieben Stunden.
„Die Sex-Aufnahmen habe er zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse gemacht", hieß es in der Anklage. Seine Opfer seien „vorwiegend junge und attraktive Patientinnen" gewesen, sechs davon unter 18 Jahre alt.


Bizarre Motive

Am 5. Dezember 2013 offenbarten seine Anwälte vor Gericht die skurrilen Beweggründe des Arztes: „Der Mediziner Christian K. lebte aber nach wie vor in den Abenteuern von Karl May und eiferte der Filmfigur James Bond nach. Er brachte sich Lasso- und Messerwerfen bei, und der Einsatz versteckter Technik übte einen großen Reiz im Sinne konspirativer Agententätigkeit auf den Münchner Frauenarzt aus". Der Vertrauensarzt liebte Agenten wie James Bond, welcher in seinen Filmen reihenweise Frauen verführt. Christian K. hingegen filmte seine Patientinnen. Darunter

Für seine heimlichen Aufnahmen hatte er sich fünf Videokugelschreiber zum Stückpreis von 70 Euro besorgt. Dass er dabei auch sexuelle Erregungsabsichten hatte, räumte er erst „im Nachsatz" ein.

„Es ist zutreffend, dass die Patientinnen ohne Einverständnis gefilmt, abfotografiert und aufgenommen wurden. Unser Mandant schämt sich für seine Taten und inbesondere den Vertrauensmissbrauch“, lässt K. über seine Anwälte verlesen.

Ebenfalls bizarr war seine Erklärung für die illegalen Kriegswaffen: Diese will er von seinem Schwiegervater geerbt haben, der sie über 20 Jahre in Sporttaschen versteckt mit der S-Bahn von Weilheim nach München transportiert haben soll – weil „die Schwiegermutter kein Kriegsgerät im Haus haben wollte". Selbst der vorsitzende Richter Stephan Kirchinger zeigte sich skeptisch, als K. behauptete, sein Schwiegervater habe sogar ein schweres Maxim-Maschinengewehr mit Lafette und Rädern auf diesem Wege zu ihm gebracht: „Der Schwiegervater hat es mir in Teilen gebracht", behauptete K.


Prozess & Urteil

Als der 67-jährige Arzt im November 2013 vor Gericht erschien, kam er auf Krücken, seine Anwälte hielten ihm einen Aktenordner als Sichtschutz vors Gesicht. Sein Verteidiger Steffen Ufer betonte den schlechten Gesundheitszustand: „Mein Mandant ist schwer krank, ihm mussten das linke Bein amputiert und der Darm gekürzt werden".

Neben dem Umfang der Tötungswerkzeuge und der visuellen Aufzeichnungen stellte sich im Laufe des Prozesses heraus, dass K. ausgewählten jungen Patientinnen auch Geld geboten hatte, um sie ohne Druck nackt im Keller seiner Moosacher Praxis zu abzulichten – einige gingen auf das Angebot ein mit. Zum Geschlechtsverkehr soll es dabei ebenfalls gekommen sein – auf einer Pritsche neben der Waffenkammer, die er durch vier Alarmanlagen sicherte. Dort verkehrte Christian K. auch mit einer seiner Geliebten, gab er zu.

Von dieser wusste seine Ehefrau ebensowenig wie von dem stetig wachsenden Waffenarsenal. „Ich hatte meine Praxis im dritten Stock, die Kellerräume standen leer. Ursprünglich sollte das ein Ambulanz-OP werden“, sagte der Frauenarzt aus. Stattdessen gab er einer Bitte seines Schwiegervaters nach, dort Revolver und Maschinengewehre einzulagern – und sammelt auch selbst 30 Jahre lang eifrig Schusswaffen. „Zweimal die Woche ist er mit der S-Bahn von Weilheim gekommen und hat die Waffen zerlegt in Sporttaschen mitgebracht“, berichtete K. Darunter auch Kriegswaffen wie eine Kalschnikov und ein Maxim-Maschinengewehr. „Mich hat die Präzision und die Schönheit interessiert.“ Ein paar Waffen habe er auch mit nach Hause in die Fasanerie genommen, „zum Putzen,  Streicheln  und Saubermachen.“ 

Das Gericht machte deutlich, dass eine Bewährungsstrafe nicht mehr möglich sei. Bei einem Geständnis könne der Angeklagte mit viereinhalb Jahren Haft rechnen – vorausgesetzt, er zahlt den gefilmten Patientinnen Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 100.000 Euro.
Am 19. Februar 2014 wurde Christian K. zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Haftstrafe verbüßte er in der JVA Landsberg, wo er zeitweise sogar eine Zelle mit Uli Hoeneß teilte, dem früheren Präsidenten des FC Bayern München, der wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war.

Diese ungewöhnliche Konstellation führte zu weiteren Schlagzeilen, als Christian K. später bestätigte: „Ich war mit Hoeneß in der Zelle".

Um die traumatisierten Mädchen und Frauen
ging es dabei kaum.


Rückschlüsse

Dieser Fall reiht sich ein in eine beunruhigende Serie ähnlicher Übergriffe durch medizinisches Personal und unterstreicht die Notwendigkeit verstärkter Kontrollen und Schutzmaßnahmen für Patientinnen, zumindest in besonders sensiblen medizinischen Bereichen. Er zeigt auch, wie wichtig es ist, Beschwerden über Unregelmäßigkeiten in Arztpraxen konsequent nachzugehen – denn ohne die anfängliche Kontrolle wegen Hygienemängel, wären wohl weder die heimlichen Aufnahmen noch das illegale Waffenarsenal jemals entdeckt worden.

Ich frage mich, ob er auch wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt wurde. Falls nicht – warum nicht? Liegt das im Auge des Betrachters? Oder am Fachgebiet des Gutachters? Oder einfach an der Rechtsprechung?

 

 

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