München
Sexueller Missbrauch in der Arztpraxis: Mediziner erhält Bewährungsstrafe
Münchner Gericht verurteilt Allgemeinarzt wegen sexuellen Übergriffs während einer Untersuchung – Berufszulassung steht auf dem Spiel
Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist ein besonders geschütztes Gut – wer es missbraucht, macht sich strafbar. Ein 45-jähriger Allgemeinarzt aus München wurde nun rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, nachdem er eine 30-jährige Patientin während einer Untersuchung sexuell missbraucht hatte.
Der Vorfall
Am 17. Januar 2012 stellte sich die 30-jährige Frau mit allgemeinem Unwohlsein in der Praxis des Mediziners vor. Der dreifache Familienvater schlug ihr daraufhin einen Vorsorge-Check vor, in den die Patientin einwilligte. Was dann geschah, beschrieben beide Seiten vor Gericht unterschiedlich.
Der Arzt behauptete, alle Untersuchungen seien medizinisch begründet gewesen. Er interpretierte das bereitwillige Ablegen der Kleidung als Einverständnis für die körperliche Untersuchung.
Die Patientin hingegen berichtete von einem traumatischen Erlebnis: Der Mediziner habe ihre Brustwarzen berührt, sei ohne Handschuhe mit zwei Fingern in ihre Vagina eingedrungen und habe dabei ihre Klitoris stimuliert. Parallel dazu stellte er ihr äußerst intime Fragen zu ihrem Sexualleben. Die Frau gewann den Eindruck, dass er nicht eine medizinische Untersuchung durchführte, sondern versuchte, ihr «einen Orgasmus zu verschaffen».
Der Prozess
Nachdem die betroffene Frau den Vorfall ihrer Hausärztin anvertraut hatte, erstattete sie Anzeige. Die vernehmende Polizistin beschrieb die 30-Jährige als zwar geschockt und zeitweise weinend, aber keineswegs verwirrt – ihre Aussagen wurden als glaubwürdig eingestuft.
Das Amtsgericht verurteilte den Arzt in erster Instanz zu 18 Monaten Haft auf Bewährung. Sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft legten zunächst Berufung ein. Der Arzt wollte seine Unschuld beweisen, während die Staatsanwaltschaft eine höhere Strafe anstrebte.
Die Wende im Berufungsprozess kam, als ein Sachverständiger andeutete, dass die Untersuchung nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden sei. Nach einer kurzen Beratungspause zogen sowohl der Arzt als auch die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurück, wodurch das ursprüngliche Urteil rechtskräftig wurde.
Die Konsequenzen
Der Verstoß gegen §174c des Strafgesetzbuches, der den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses unter Strafe stellt, wird mit drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet.
Für den 45-jährigen Mediziner steht nun mehr als nur die Bewährungsstrafe im Raum. Das rechtskräftige Urteil wird der Regierung von Oberbayern übergeben, die darüber entscheiden wird, ob der Verurteilte seine Approbation als Arzt verlieren wird. Damit steht auch seine berufliche Existenz auf dem Spiel.
Dieser Fall verdeutlicht die schwerwiegenden Konsequenzen, die der Missbrauch des besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient nach sich ziehen kann – sowohl für die betroffenen Patientinnen als auch für die übergriffigen Mediziner.
QUELLE
· «Patientin missbraucht: Arzt verurteilt!», John Schneider, Münchner Abendzeitung, 10. August 2013 ·