Dortmund
«Ich hätte ihm das nie zugetraut. Ich war so lange Patientin bei ihm. Alle Frauen aus unserer Familie waren das.»
«Wir fühlten uns bei ihm gut aufgehoben. Er war sehr gründlich...»
«Auf seinem Schreibtisch standen die Fotos seiner Familie...»
«Zu einem Frauenarzt würden sie ‹nie wieder gehen›, so zerstört ist ihr Vertrauen. Beide haben jetzt dieselbe Ärztin.»
«Seit drei Jahrzehnten sind die Frauen unserer Familie in diese Praxis gegangen. Wir waren ja schon bei seinem Vorgänger.»
«Hoffentlich steht der bald vor Gericht. Ich will ihm in die Augen schauen.»
Versteckte Kameras beim Frauenarzt, der seine Position für sexuelle Zwecke missbrauchte
Der Fall weist unheimliche Parallelen zu anderen dokumentierten Vorfällen auf. Besonders verstörend: Im gleichen Zeitraum zwischen 2010 und 2012 filmten mehrere Ärzte in ganz Deutschland heimlich ihre Patientinnen. In Schifferstadt nutzte ein Frauenarzt ebenfalls eine in der Auffangschale versteckte Kamera, während in München der Fall des «Dr. Kalaschnikov» bekannt wurde, der auch mit einer als Kugelschreiber getarnten Kamera operierte. Dazu kommen ähnliche Fälle in Bamberg (2008-2014), Quickborn (2009-2011) und Osnabrück (2009-2013) - alles Ärzte, die Vulvas, Vaginas, Brüste und andere Intimzonen ihrer ahnungslosen Patientinnen aufnahmen. Viele davon Kinder. Diese zeitliche Häufung wirft beunruhigende Fragen auf: War es ein sich ausbreitendes Phänomen? Diese Männer, allesamt in Vertrauenspositionen, haben ihre berufliche Stellung für die Befriedigung sexueller Gelüste missbraucht - ein Muster, das fundamentale Fragen über die Mechanismen der Kontrolle im medizinischen Bereich und die Vulnerabilität von Patientinnen aufwirft. Ein paar Jahre später kamen erneut mit Kameras aufgenommene Vergewaltigungen von Patientinnen durch ihre behandelnden Ärzte ans Licht: Bielefeld, Schweinfurt, Bramsche.
In einer gutbürgerlichen Innenstadt von C1 entlarvten Ermittler im Jahr 2011 die verstörende Doppelexistenz eines angesehenen Gynäkologen. Nach außen präsentierte er sich als kompetenter Mediziner, Familienvater und wurde von seinen Patientinnen sogar als "lieber Teddybär" beschrieben. Doch hinter dieser Fassade verbarg sich ein kalkulierender Mann, der seine Praxis zum Ort heimlicher Videoaufnahmen machte.
In einem Zeitraum von nur einem Monat – zwischen dem 22. November und dem 22. Dezember 2011 – zeichnete der Arzt mindestens 25 seiner Patientinnen während gynäkologischer Untersuchungen auf. Seine Methoden waren durchdacht: Eine Kamera versteckt in der Auffangschale des gynäkologischen Stuhls, eine weitere als harmloser Kugelschreiber getarnt, den er in seiner Brusttasche trug.
"Die Aufnahmen zeigen durchgehend die entblößten Genitalbereiche der Patientinnen", beschrieb die leitende Ermittlerin KOKin O1 die sichergestellten Beweise. "Was mich stutzig machte: Er führte die Untersuchungen stets nur mit einer Hand durch – offenbar um mit der anderen die Kameras zu bedienen."
Die Polizeibeamtin entdeckte bei der Auswertung der Videos ein wiederkehrendes Muster: "Er berührte die Frauen während der Untersuchungen häufig im Bereich des Kitzlers. Das kannte ich von Untersuchungen bei meiner eigenen Frauenärztin nicht." Der Arzt gestand später vor Gericht, dass er bewusst Handlungen wie das Auftragen von Ultraschallgel auf die Klitoris und das anschließende Einführen seiner Finger so ausführte, um "bessere Aufnahmen" zu erhalten.
Die Wahrheit kam durch eine Auszubildende ans Licht, die ihren Verdacht meldete. Als die Polizei die Praxis durchsuchte, zeigte der Gynäkologe sein wahres Gesicht: In Panik versuchte er, Beweismittel zu zerstören – warf einen Laptop zu Boden und zerbrach einen als Kugelschreiber getarnten Videorekorder, bevor die Beamten eingreifen konnten.
Was die Ermittler in den Praxisräumen fanden, deutete auf eine lange Vorbereitung hin. Ein Zeuge beschrieb das Arztzimmer als "in außergewöhnlichem Umfang mit Technik vollgestopft". In einem Tresor entdeckten die Beamten weitere Datenträger und Aufnahmegeräte. Einige Dateien waren mit dem Verschlüsselungsprogramm "Steganos" gesichert – eine Verschlüsselung so komplex, dass selbst das LKA eingestehen musste, eine Entschlüsselung würde "bestenfalls binnen zwei bis drei Jahren" möglich sein.
Das Perfide an diesem Fall: Keine der betroffenen Frauen hatte während der Untersuchungen etwas geahnt. Die Frauen erfuhren erst durch die polizeiliche Vorladung, dass sie Opfer geworden waren. Der Gynäkologe, der seit 2002 seine eigene Praxis führte, hatte seine sexuellen Absichten geschickt hinter einer professionellen Maske verborgen.
Das Gericht stellte in seiner Urteilsbegründung fest: "Es ist kaum eine Situation denkbar, in der eine Patientin mehr auf den professionellen, nicht sexualisierten Umgang durch den behandelnden Arzt angewiesen ist, als bei einer gynäkologischen Untersuchung unter Nutzung eines gynäkologischen Stuhls." Genau diese Vulnerabilität nutzte der Mediziner aus – ein Missbrauch, der das Leben vieler Frauen nachhaltig veränderte.
Dieser Fall offenbart die tiefen Schatten eines Systems, in dem blind vertraut werden muss – und wie folgenschwer es sein kann, wenn dieses Vertrauen zerstört wird. Er zeigt, wie ein Täter mit akademischem Titel und weißem Kittel seine Autorität nutzen konnte, um Frauen in einer ihrer verletzlichsten Situationen zu viktimisieren und für seine sexuellen Zwecke zu instrumentalisieren.
Landgericht Dortmund, 31 KLs 78/15
Datum: 19.11.2018
Gericht: Landgericht Dortmund
Spruchkörper: 31. große Strafkammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 31 KLs 78/15
ECLI: ECLI:DE:LGDO:2018:1119.31KLS78.15.00
Tenor:
Der Angeklagte wird wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
1 Jahr und 10 Monaten
verurteilt.
Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
Von der ausgeurteilten Gesamtfreiheitsstrafe gelten
4 Monate
als bereits vollstreckt.
Der Angeklagte trägt, unter Ausnahme der Kosten des Gutachtens des Sachverständigen A1, die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen.
Angewandte Vorschriften:
§§ 174c Abs. 1, 53 StGB
Gründe
I.
Der Angeklagte wuchs in A2 auf. Die Mutter war Hausfrau. Der Beruf des Vaters ist nicht bekannt. Die Eltern des Angeklagten trennten sich, als dieser etwa vier oder fünf Jahre alt war. Sodann lebte er, ab dessen Geburt gemeinsam mit dem acht Jahre jüngeren Halbbruder, bei seiner Mutter und dem Stiefvater, wobei der Stiefvater früh verstarb. Zunächst wohnte die Familie im Stadtteil A2, später in der A3 Innenstadt. Im Alter von 19 Jahren legte der Angeklagte das Abitur ab und studierte fortan bis zum Vordiplom Wirtschaftswissenschaften an der Universität A3. Danach nahm er ein Studium der Humanmedizin an der Universität C2 auf, welches er 1993/94 mit der Approbation beendete. Die Facharztausbildung zum Facharzt für Gynäkologie absolvierte der Angeklagte in A3, B1, B2 und B3 und schloss diese im Alter von 36 oder 37 Jahren ab. Zunächst arbeitete er sodann als angestellter Facharzt. Im Jahr 2002 machte sich der Angeklagte mit einer gynäkologischen Praxis in der C1 Innenstadt selbstständig, die er bis zur Durchsuchung im Rahmen der Ermittlungen zu den Tatvorwürfen dieses Verfahrens am 00.00.2012 betrieb. Seine Approbation ruht sei seit dem Jahr 2012.
Seit dem Jahr 2002 ist der Angeklagte in erster Ehe verheiratet. Aus der Ehe sind zwei, zum Zeitpunkt der Entscheidung 00 und 00 Jahre alte Kinder hervorgegangen. Die Ehefrau des Angeklagten ist xxx. Besonderen Hobbies geht der Angeklagte nicht nach.
In der Jugend konsumierte der Angeklagte Alkohol und Tabak. Illegale Drogen hat er nie zu sich genommen.
Seit etwa 10 Jahren ist bei dem Angeklagten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bekannt, die mit erhöhtem Blutdruck verbunden ist. Eine berufliche Einschränkung hat er hierdurch nicht erfahren. Sonst leidet der Angeklagte an keinen bekannten körperlichen Erkrankungen. Im Jahr 2012 begann er mit einer psychotherapeutischen Behandlung, die er nach der Aussetzung der Hauptverhandlung in dem hiesigen Verfahren im Jahr 2016 nicht mehr fortsetzte.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
II.
1. Tatgeschehen
Seit dem Jahr 0000 praktizierte der Angeklagte als Facharzt für Gynäkologie in seiner eigenen Arztpraxis in der 01-straße 0 in C1. Diese Tätigkeit nutzte er zumindest zwischen dem 22.11.2011 und dem 22.12.2011, um von seinen Patientinnen, während diese sich zu Untersuchungen im Behandlungsraum seiner Arztpraxis befanden, ohne deren Kenntnis oder Zustimmung digitale Bilder und Videoaufnahmen zu fertigen, welche er dann auf verschiedenen Speichermedien ablegte. Die angefertigten Videos zeigen dabei jeweils unter anderem die entblößten Genitalbereiche seiner auf einem gynäkologischen Stuhl mit gespreizten Beinen sitzenden Patientinnen während gynäkologischer Untersuchungshandlungen. Diese nahm der Angeklagte dort jeweils mit einer Hand vor. Die Aufnahmen fertigte er mit einer Kamera, die er in der Auffangschale des gynäkologischen Stuhls platziert hatte, sowie mit einer als Kugelschreiber getarnten Kamera, die sich in der Brusttasche seines Arztkittels befand. Die Erstellung der Bilder und Videoaufnahmen erfolgte aus einer rein sexuellen Motivation des Angeklagten.
Um die Bilder und Videoaufnahmen anfertigen zu können, tätigte der Angeklagte auch vorbereitende Handlungen vor und während der gynäkologischen Untersuchungen. So platzierte er zeitweise seine Digitalkamera in einer an dem gynäkologischen Stuhl befindlichen Auffangschale. Zudem stellte er den genutzten gynäkologischen Stuhl in einer Weise ein, welche es den Patientinnen erschwerte, den Angeklagten während der gynäkologischen Untersuchungen zu beobachten. Dies ermöglichte ihm gleichzeitig, ungestört und aus seiner Sicht bessere, direkte Aufnahmen des Genitalbereichs der Patientinnen fertigen zu können.
Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:
1. (Nr. 3 der Anklageschrift)
Am 22.11.2011 gegen 14.45 Uhr befand sich die Zeugin D1 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte. Darüber hinaus filmte er, wie er Gel oder Öl über die Klitoris der Zeugin strich.
2. (Nr. 4 der Anklageschrift)
Am 23.11.2011 um 9.27 Uhr suchte die Zeugin D2 die Praxis des Angeklagten auf. Dieser filmte im Rahmen der Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
3. (Nr. 5 der Anklageschrift)
Am 24.11.2011 um 12.03 Uhr befand sich die Zeugin D3 zur Untersuchung in den Praxisräumen des Angeklagten. Dieser filmte hierbei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
4. (Nr. 6 der Anklageschrift)
Am 24.11.2011 um 17.53 Uhr befand sich die Zeugin E1 zur Untersuchung in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte hierbei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
5. (Nr. 8 der Anklageschrift)
Am 25.11.2011 gegen 11.34 Uhr befand sich die Zeugin E2 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er Ultraschallgel über die Klitoris der Zeugin strich und den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
6. (Nr. 9 der Anklageschrift)
Am 28.11.2011 um 8.40 Uhr befand sich die Zeugin E3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei den Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
7. (Nr. 10 der Anklageschrift)
Ebenfalls am 28.11.2011 gegen 13.22 Uhr befand sich die Zeugin F1 in der Praxis des Angeklagten. Auch bei dieser filmte der Angeklagte bei den gynäkologischen Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
8. (Nr. 15 der Anklageschrift)
Am 01.12.2011 gegen 12.41 Uhr befand sich die Zeugin F2 zur Untersuchung in den Praxisräumen des Angeklagten. Dieser filmte hierbei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er mit dem Zeigefinger der rechten Hand Ultraschallgel über die Klitoris der Zeugin strich und anschließend den Zeigefinger in die Vagina der Zeugin einführte.
9. (Nr. 17 der Anklageschrift)
Am 01.12.2011 gegen 15.27 Uhr befand sich die Zeugin F3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei den Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
10. (Nr. 25 der Anklageschrift)
Am 05.12.2011 gegen 11.40 Uhr befand sich die Zeugin G1 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er während der Untersuchung den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
11. (Nr. 26 der Anklageschrift)
Am 05.12.2011 gegen 11.50 Uhr befand sich die Zeugin G2 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er bei den Untersuchungen zunächst die Klitoris der Zeugin mit Ultraschallgel bestrich und anschließend den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
12. (Nr. 27 der Anklageschrift)
Am 06.12.2011 gegen 13.54 Uhr befand sich die Zeugin G3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei den Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er zunächst Ultraschallgel über die Klitoris der Zeugin strich und anschließend den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
13. (Nr. 28 der Anklageschrift)
Am 06.12.2011 gegen 14.51 Uhr befand sich die Nebenklägerin H1 in den Praxisräumen des Angeklagten. Dieser filmte bei den Untersuchungen ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich und dabei unter anderem, wie er von der Klitoris kommend den Zeigefinger der rechten Hand in die Vagina der Nebenklägerin einführte.
14. (Nr. 30 der Anklageschrift)
Am 07.12.2011 gegen 9.45 Uhr befand sich die Zeugin H2 zur Durchführung einer Untersuchung in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in die Vagina der Zeugin einführte.
15. (Nr. 31 der Anklageschrift)
Am 07.12.2011 gegen 11.41 Uhr befand sich die Zeugin H3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in deren Scheide einführte.
16. (Nr. 33 der Anklageschrift)
Am 08.12.2011 gegen 15.21 Uhr führte der Angeklagten bei der Zeugin I1 mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine vaginale Tastuntersuchung durch. Er filmte dabei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin.
17. (Nr. 34 der Anklageschrift)
Am 08.12.2011 gegen 16.37 Uhr führte der Angeklagten bei der Zeugin I2 eine vaginale Tastuntersuchung mit dem Zeigefinger der rechten Hand durch. Er filmte dabei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin.
18. (Nr. 35 der Anklageschrift)
Am selben Tag gegen 18.56 Uhr führte der Angeklagte bei der Zeugin I3 eine genitale Tastuntersuchung mit der rechten Hand durch. Er filmte dabei ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin.
19. (Nr. 37 der Anklageschrift)
Am 12.12.2011 gegen 15.06 Uhr befand sich die Zeugin K1 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er Ultraschallgel auf die Klitoris der Zeugin auftrug und anschließend den Zeigefinger der rechten Hand in die Scheide der Zeugin einführte.
20. (Nr. 38 der Anklageschrift)
Am 13.12.2011 gegen 14.25 Uhr befand sich die Zeugin K2 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er eine genitale Tastuntersuchung mit dem Zeigefinger der rechten Hand durchführte.
21. (Nr. 41 der Anklageschrift)
Am 15.12.2011 gegen 16.42 Uhr befand sich die Zeugin K3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er während der Untersuchung den Zeigefinger der rechten Hand in deren Vagina einführte.
22. (Nr. 43 der Anklageschrift)
Am 19.12.2011 gegen 8.45 Uhr befand sich die Zeugin F3 erneut zur Untersuchung in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er die Klitoris der Zeugin mit Ultraschallgel bestrich und anschließend den Zeigefinger der rechten Hand in deren Scheide einführte.
23. (Nr. 44 der Anklageschrift)
Am 19.12.2011 gegen 9.34 Uhr befand sich die Nebenklägerin F4 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Nebenklägerin und dabei unter anderem, wie er den Zeigefinger der rechten Hand in deren Scheide einführte.
24. (Nr. 49 der Anklageschrift)
Am 21.12.2011 gegen 10.59 Uhr befand sich die Zeugin L3 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte bei der Untersuchung ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er mit dem Zeigefinger der rechten Hand die Vagina der Zeugin austastete.
25. (Nr. 50 der Anklageschrift)
Am 22.12.2011 gegen 17.07 Uhr befand sich die Zeugin M1 in der Praxis des Angeklagten. Dieser filmte ohne deren Wissen den entblößten Genitalbereich der Zeugin und dabei unter anderem, wie er während einer Tastuntersuchung den Zeigefinger der rechten Hand in die Vagina der Zeugin einführte.
2. Beginn des Ermittlungsverfahrens / Nachtatverhalten des Angeklagten
Einen Hinweis darauf, dass der Angeklagte während der gynäkologischen Untersuchungen heimlich Video- und Bildaufnahmen von seinen Patientinnen fertigte, erhielt die Polizei zunächst über eine Strafanzeige. Eine Auszubildende des Angeklagten hatte sich zunächst an ihre Ausbildungsleiterin gewandt, die den Sachverhalt dann über die Ärztekammer an die Polizei meldete. Mit einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dortmund begab sich der zuständige Kriminalbeamte KHK N1 mit einer Kollegin, der Zeugin PHKin N2, daraufhin an einem Mittwoch, an dem die Praxis früher schloss, und der gewählt wurde, da man zur Vermeidung der Rufschädigung des Angeklagten in dieser frühen Phase des Ermittlungsverfahrens wenig öffentliche Aufmerksamkeit erzeugen wollte, in die Praxisräume des Angeklagten. Nachdem der Zeuge KHK N1 zunächst in dem Wartezimmer Platz genommen hatte, gab er sich, als der Angeklagte aus einem Untersuchungszimmer herauskam, als Kriminalbeamter zu erkennen und erklärte, die Praxis unter Vorlage des Durchsuchungsbeschlusses durchsuchen zu wollen. Der Zeuge KHK N1 begab sich daraufhin mit dem Angeklagten in dessen Arztzimmer.
In Anwesenheit der Polizeibeamten schob der Angeklagte im Arztzimmer einen am Schreibtisch stehenden Laptop zur Seite, sodass dieser herunterfiel. Um weitere Verdunkelungshandlungen zu verhindern, begaben sich die Zeugin N2 und der Zeuge KHK N1 daraufhin direkt zu dem Angeklagten. Hierbei fiel auf, dass der Angeklagte einen Datenträger in Form eines dicken Kugelschreibers mit Videofunktion in der Hand hielt. Trotz des Versuches, dem Angeklagten den Datenträger, auch unter Anwendung eines Daumenhebels, abzunehmen, gelang es ihm, diesen zu zerbrechen.
Zur Unterbindung weiterer Verdunkelungsversuche wurde der Angeklagte dann vor einen im Arztzimmer stehenden Schrank gesetzt und die Durchsuchung wurde fortgesetzt.
Die Praxis wurde in Absprache mit einer für die Sprechstundenhilfe zuständigen Mitarbeiterin des Angeklagten geschlossen; die noch dort befindlichen Patientinnen wurden durch die Mitarbeiterin weggeschickt. Im Arztzimmer wurden mehrere elektronische Kleingeräte sichergestellt, so ein Videorekorder, eine Armbanduhr mit Videofunktion und diverse weitere Aufnahmegeräte. Auch in einem Tresor wurden weitere elektronische Kleingeräte, insbesondere Festplatten und sonstige Datenträger, aufgefunden. In der Kleidung des Angeklagten wurde ein Mobiltelefon, in dem Pkw des Angeklagten wurden weitere Datenträger gefunden. Von weiteren Kriminalbeamten wurde parallel die Privatwohnung des Angeklagten in C2 und eine weitere vermeintliche Privatwohnung des Angeklagten in der 02-Straße in C1 durchsucht; diese Durchsuchungen blieben erfolglos.
Der Angeklagte wollte während der Durchsuchung gegenüber den Polizeibeamten keine Angaben machen und widersprach der Auswertung der aufgefundenen und sichergestellten Datenträger. Die Überwachung des Angeklagten in den Praxisräumen wurde durch die zuvor bei der Durchsuchung der vermeintlichen Nebenwohnung in der 02-Straße eingesetzte Zeugin KOKin O1 übernommen. Der Angeklagte zeigte sich in keiner Weise kooperativ, versuchte immer wieder, in die zu durchsuchenden Räume zu gelangen und trat dabei sehr unfreundlich und fordernd gegenüber den Polizeibeamten auf.
Am 20.06.2011 wurden die Praxisräume nochmals durchsucht, in diesem Fall zur Sicherstellung von Patientenakten. Eine dritte Durchsuchung erfolgte aufgrund des Verdachts eines Abrechnungsbetrugs, nachdem über die Mitarbeiterinnen des Angeklagten Hinweise erfolgt waren, dass Akten vernichtet worden sein sollten.
Aus einsatztaktischen Gründen wurde die Ermittlungsleitung der Zeugin KOKin O1 übertragen. Diese sichtete die auf den bei dem Angeklagten sichergestellten Datenträgern gefundenen Bild- und Videoaufnahmen und erstellte hierzu ein umfangreiches Verzeichnis, welches unter Blatt 438 bis 447, Band I zur Akte gelangt ist. Hierbei stellte sie fest, dass auf den Aufnahmen immer der entblößte Genitalbereich der Patientinnen abgebildet war und dass der Angeklagte die gynäkologischen Untersuchungen nur mit einer Hand durchgeführt hatte. Die Auswertung der Bild- / Videoaufnahmen beendete sie im Februar 2013. Anhand der Patientendaten war die Zuordnung vieler Bild- / Videoaufnahmen möglich.
Bis auf vier oder fünf Patientinnen folgten alle identifizierten Frauen der jeweiligen polizeilichen Vorladung und konnten vernommen werden. Bis zum Ende der Hauptverhandlung gaben alle unter II. 1. genannten, ehemaligen Patientinnen des Angeklagten eine schriftliche Schweigepflichtsentbindungserklärung ab. Keine der von der Zeugin KOKin O1 vernommenen Zeuginnen hat angegeben, während der Untersuchungen einen Verdacht auf eine foto- oder videografische Aufzeichnung gegen den Angeklagten gehegt zu haben.
Der Zeugin KOKin O1 war es nicht möglich, alle Dateien auszuwerten, da einige Daten verschlüsselt sind. Der Angeklagte nutzte dabei zur Verschlüsselung das Programm „Steganos". Nach Auskunft des LKA NRW wäre mit den dortigen technischen Möglichkeiten eine Entschlüsselung und Auswertung bestenfalls binnen zwei bis drei Jahren denkbar. Der Angeklagte hat bis heute keine Kennwörter oder andere Entschlüsselungsansätze preisgegeben, die eine Auswertung ermöglicht hätten.
3. Weiterer Verfahrensablauf
Mit Abschlussverfügung vom 05.02.2013 übersandte die Zeugin KOKin O1 die Akte zur Staatsanwaltschaft Dortmund. Von dort wurde zunächst mehrfach Akteneinsicht an verschiedene Stellen gewährt. Obwohl die Zweitakte dann am 23.05.2013 wieder zur Staatsanwaltschaft zurückgelangt war, wurde erst unter dem 27.11.2013 der Sachverständige A1 mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Gewährung der in diesem Zeitraum erfolgten Akteneinsichten wäre dabei auch über Ablichtungen der Ursprungsakte möglich gewesen.
Das Gutachten von A1 vom 31.01.2014 ging am 05.02.2014 bei der Staatsanwaltschaft Dortmund ein. Unter dem 28.05.2014 erhob die Staatsanwaltschaft Dortmund Anklage bei dem Amtsgericht - Schöffengericht - Dortmund. Dort ging die Akte am 06.06.2014 ein. Nach Verfügung vom 10.06.2014 wurde die Anklageschrift am 13.06.2014 an den Wahlverteidiger Rechtsanwalt P1 zugestellt, der sich erstmals bereits mit Schreiben vom 12.06.2012 zur Akte gemeldet hatte. Nach Verfügung vom 17.09.2014 wurde die Akte an das Verwaltungsgericht Arnsberg gesandt. Die Akte kam sodann bereits wieder eine Woche später, am 24.09.2014, zu dem Amtsgericht Dortmund zurück.
Nach der Rückkehr der Akte von dem Verwaltungsgericht Arnsberg wurde das Verfahren durch das Amtsgericht Dortmund, bis zum Ergehen eines Vorlagebeschlusses vom 15.07.2015, mit dem das Amtsgericht die Akte über die Staatsanwaltschaft Dortmund der hiesigen Kammer zur Prüfung der Eröffnungszuständigkeit gemäß § 209 StPO vorlegte, nicht mehr gefördert. Das Amtsgericht Dortmund vermerkte sich in diesem Zeitraum zweimal, dass eine Förderung des Verfahrens wegen erheblicher Arbeitsbelastung, auch wegen vorrangig zu bearbeitender Haftsachen, nicht habe erfolgen werden können.
Mit Beschluss vom 28.08.2015 wurde das Verfahren durch die hiesige Kammer übernommen; die Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 28.05.2014 wurde zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren wurde vor der hiesigen Kammer eröffnet. Nachdem sich mit Schriftsatz vom 25.09.2015 neben Rechtsanwalt P1 auch Rechtsanwalt P2 als weiterer Verteidiger des Angeklagten zur Akte gemeldet hatte, wurden mit Verfügung des Vorsitzenden vom 12.11.2015 zehn Hauptverhandlungstermine festgesetzt. Die Hauptverhandlung begann am 30.12.2015.
In der Sitzung am 07.03.2016 wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt, nachdem der Verteidiger Rechtsanwalt P2 in dem Hauptverhandlungstermin am 03.03.2016 den Sachverständigen A1 als befangen abgelehnt und die Kammer diesen Antrag für begründet erklärt hatte. Nach der Aussetzung der Hauptverhandlung konnte bis zum 05.04.2017 keine Förderung des Verfahrens mehr erfolgen. Mit Verfügung vom 05.04.2017 wurde sodann schriftlich rechtliches Gehör zu der beabsichtigten Neubestellung eines Sachverständigen gewährt. Nachdem im Juli 2017 der Gutachtenauftrag im Beschlusswege erteilt worden war, erstellte der Sachverständige R1 unter dem 08.12.2017 das angeforderte Gutachten.
Nach dem Eingang des Gutachtens bei der Kammer am 08.12.2017 konnte das Verfahren nochmals zunächst nicht gefördert werden. Mit Schreiben vom 09.03.2018 kündigte der Vorsitzende dann die Aufnahme der Hauptverhandlung ab Juli 2018 an. Mit Verfügung vom 27.04.2018 wurden sodann die ersten Termine festgesetzt.
III.
Die unter Ziffer I. dargestellten Feststellungen zu dem Lebensweg und den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften, den Feststellungen entsprechenden Angaben des Angeklagten. Dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, hat die Kammer anhand des in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszugs vom 16.08.2018 festgestellt.
Die unter Ziffer II. getroffenen Feststellungen zur Sache beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten sowie auf den Angaben der Zeugen KHK N1 und KOKin O1.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung durch eine von der Verteidigung verlesene und vom Angeklagten als richtig bestätigte Erklärung das Geschehen in vollem Umfang so, wie es die Kammer unter II. 1. festgestellt hat, eingeräumt. Dieser geständigen Einlassung ist, wie im Hauptverhandlungsprotokoll ausgewiesen, ein außerhalb der Hauptverhandlung geführtes Rechtsgespräch der Kammer mit den Verteidigern, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und den Nebenklagevertreterinnen sowie anschließend eine Verständigung der Kammer im Sinne des § 257c StPO mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten vorausgegangen. Die Kammer hat das Geständnis des Angeklagten auf seine Glaubhaftigkeit hin durch die ergänzende Vernehmung der ermittlungsführenden Kriminalbeamten, den Zeugen KHK N1 und KOKin O1, überprüft.
Die Kammer hat keinen Anlass, an dem Geständnis des Angeklagten zu zweifeln. Die Einlassung ist in sich stimmig. Es liegen keine sonstigen Erkenntnisse vor, die an dem Wahrheitsgehalt des Geständnisses zweifeln lassen. Insbesondere wird die Einlassung durch die Angaben der vernommenen Zeugen N1 und O1 gestützt. Die Kammer ist daher überzeugt, dass der Angeklagte sich durch sein Geständnis der festgestellten Taten nicht zu Unrecht belastet hat.
Im Einzelnen hat die Kammer die Feststellungen zu dem Tatgeschehen folgendermaßen getroffen:
1.
Der Angeklagte hat erklärt, dass er den objektiven Sachverhalt der unter den Ziffern 3 bis 6, 8 bis 10, 15, 17, 25 bis 28, 30 bis 31, 33 bis 35, 37 bis 38, 41, 43 bis 44 und 49 bis 50 der in der Anklageschrift vom 28.05.2018 beschriebenen Taten vollumfänglich einräume. Die Erstellung der Bilder und Videoaufnahmen sei zu eigenen sexuellen Zwecken erfolgt. Auch habe er einige Handlungen während der gynäkologischen Untersuchungen - in der konkreten Ausführung oder auch überhaupt - vorgenommen um aus seiner Sicht besser und ungestört die Bilder bzw. Videoaufnahmen fertigen zu können. Beispielhaft nannte er hierzu, eine bestimme Positionierung der Auffangschale oder eine spezielle Einstellung des gynäkologischen Stuhls vorgenommen zu haben. Die Untersuchungen selbst habe er aber nicht zu eigenen sexuellen Zwecken vorgenommen, sondern aus medizinischen Gründen. Dabei habe er auch die Untersuchungen selbst nie entgegen der ärztlichen Kunst durchgeführt.
2.
KHK N1 hat bekundet, zunächst Ermittlungsführer bei den Ermittlungen gegen den Angeklagten gewesen zu sein. Später habe er die Ermittlungsführung an KOKin O1 abgegeben.
Der Zeuge N1 hat den Ablauf des Geschehens bis einschließlich der erfolgten Durchsuchungen wie unter II. 2. festgestellt geschildert. Zudem gab er an, dass ihm bei der ersten Durchsuchung der Praxisräume aufgefallen sei, dass das Arztzimmer in einem außergewöhnlichen Umfang mit Technik „vollgestopft" gewesen sei. Insbesondere am Schreibtisch hätten sich viele elektronische Kleingeräte befunden. In einem anderen als dem Arztzimmer seien „in unzähliger Menge" Glas-/Abstrichplättchen gefunden worden. Weil man diese nicht habe einordnen können, sei eine Rechtsmedizinerin hinzugebeten worden.
Er, der Zeuge KHK N1, habe selbst kaum an den Auswertungen der sichergestellten Video-/Bildaufnahmen teilgenommen. Der Zeuge N1 hat weiter erläutert, man habe die Geschädigten nicht weiter dadurch belasten wollen, dass männliche Beamte die Bilder und Videoaufnahmen sichteten. Er habe daher die Ermittlungsleitung an die Kollegin O1 abgegeben. Da einige Dateien verschlüsselt gewesen seien, habe man spezialisierte Kollegen des KK 25 beim Polizeipräsidium Dortmund hinzugezogen.
3.
Die Zeugin KOKin O1 hat angegeben, an den Ermittlungen gegen den Angeklagten beteiligt gewesen zu sein und nach einiger Zeit die Leitung der Ermittlungen von KHK N1 übernommen zu haben. Die Leitung der Ermittlungen sei ihr aus einsatztaktischen Gründen übertragen worden. Sie habe als Frau schlicht einen besseren Überblick zu dem regulären Ablauf einer gynäkologischen Untersuchung. Zudem sei zu erwarten gewesen, dass sie im Rahmen der Vernehmungen ein besseres Vertrauensverhältnis zu den Geschädigten aufbauen könne als der männliche Kollege N1.
Im Übrigen hat die Zeugin den Ablauf der Ermittlungen ab dem Zeitpunkt der Durchsuchungen wie unter II. 2. festgestellt geschildert.
Zudem gab sie an, an dem Tag der ersten Durchsuchung erst im Verlauf der Durchsuchung in die Praxisräume des Angeklagten gekommen zu sein. Die Kollegen hätten Unterstützung angefordert, weil sich die erforderliche Durchsuchung umfangreicher als erwartet und der Angeklagte als unkooperativ dargestellt habe. Die Kollegen hätten auch berichtet, dass der Angeklagte während der Durchsuchung in Anwesenheit von Polizeibeamten einen Video-Kugelschreiber zerbrochen habe. Sie selbst sei aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwesend gewesen.
Bei Sichtung der auf den sichergestellten Datenträgern gefundenen Bild- und Videoaufnahmen habe sie festgestellt, dass immer der entblößte Genitalbereich der Patientinnen abgebildet gewesen sei und dass der Angeklagte die Untersuchungen nur mit einer Hand vorgenommen habe. Sie habe den Eindruck gewonnen, dass der Angeklagte die Untersuchungen einhändig durchgeführt habe, damit er die andere Hand für die Führung der Kamera zur Verfügung hatte. Auffällig sei zudem gewesen, dass der Angeklagte die gefilmten Frauen während der Untersuchungen häufig im Bereich des Kitzlers berührt habe. Dies sei ihr bemerkenswert vorgekommen, da sie dies von Untersuchungen durch ihre behandelnde Frauenärztin nicht gekannt habe.
Das von dem Angeklagten genutzte Verschlüsselungsprogramm „Steganos", so hat die Zeugin O1 weiter ausgeführt, sei ihrer Kenntnis nach eines der besten Programme am Markt.
Schließlich habe keine der von ihr vernommenen Zeuginnen den Angeklagten als ekelerregend oder ähnlich beschrieben. In Erinnerung sei ihr vielmehr die Äußerung einer als Zeugin vernommenen Patientin geblieben, die den Angeklagten als „lieben Teddybär" bezeichnet habe.
Die Aussagen der Zeugen N1 und O1 waren in vollem Umfang glaubhaft. Die Zeugen haben Wahrnehmungen wiedergegeben, die sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit gemacht haben. Dabei waren die Bekundungen sicher, schlüssig und lebensnah. Beide Zeugen waren erkennbar um eine neutrale und differenzierte Wiedergabe ihrer Wahrnehmungen bemüht. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben bestanden nicht.
Nach den Aussagen der Zeugen N1 und O1 ist das unter II. 2. festgestellte Geschehen erwiesen. Ferner stützt und ergänzt die Aussage der Zeugin O1 die Einlassung des Angeklagten hinsichtlich des eigentlichen Tatgeschehens.
IV.
1.
Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte in 25 Fällen des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses gemäß § 174c Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Ein sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses gemäß § 174c StGB liegt vor, wenn der Täter sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer körperlichen Krankheit zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Missbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt.
Die Geschädigten haben sich im gegebenen Fall gerade im Rahmen der Untersuchungen, bei denen der Angeklagte Bild- / Filmaufnahmen fertigte, diesem anvertraut. Das Merkmal des „Anvertrautseins" setzt dabei weder das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Beziehung zwischen Täter und Opfer voraus, noch kommt es darauf an, ob das Verhältnis auf Initiative des Patienten, Täters oder eines Dritten begründet wurde (vgl. BGH, Urt. v. 01.12.2011, 3 StR 318/11, juris, Rn. 9ff.). Das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis muss dabei auch nicht von einer solchen - zumindest beabsichtigten - Intensität und Dauer sein, dass eine Abhängigkeit entstehen kann, die es dem Opfer zusätzlich, also über die mit einem derartigen Verhältnis hinaus allgemein verbundene Unterordnung unter die Autorität des Täters und die damit einhergehende psychische Hemmung erschwert, einen Abwehrwillen gegenüber dem Täter zu entwickeln und zu betätigen, wobei unerheblich ist, ob eine Krankheit oder Behinderung tatsächlich vorliegt.
Auch ist es nicht von entscheidender Bedeutung, ob sich die Geschädigten im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen oder aufgrund von konkreten gesundheitlichen Beschwerden dem Angeklagten anvertraut haben. Vielmehr umfasst der Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB auch Vorsorgeuntersuchungen, jedenfalls soweit diese aus dem Fachbereich der Gynäkologie stammen und die Entkleidung des Intimbereichs umfassen.
Bisher liegt erkennbar kaum Rechtsprechung zu der Frage vor, ob der Tatbestand des § 174c StGB bzw. der Tatbestand des Anvertrautseins auch Vorsorgeuntersuchungen beinhaltet. Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu nur insoweit geäußert, als er in einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 (Urt. v. 01.12.2011, a.a.O., Rn. 9ff.) ausgeführt hat, dass es für die Verwirklichung des Merkmales der Anvertrautheit bzw. zur Erfüllung des Tatbestandes gemäß § 174c Abs. 1 StGB jedenfalls unerheblich sei, ob die entsprechenden Tätigkeiten innerhalb von geschlossenen Einrichtungen, in der ambulanten Versorgung oder im Rahmen häuslicher Betreuung vorgenommen werden und ob tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege, sofern die betroffene Person subjektiv eine Behandlungs- oder Beratungsbedürftigkeit empfinde.
Weiter hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil nahegelegt, dass jedenfalls auch Routineuntersuchungen umfasst seien und dies an den äußeren Bedingungen der Untersuchung festgemacht, nämlich daran, dass die Geschädigte im dort gegebenen Fall im Rahmen von Osteopathie-Behandlungen, auch wenn es sich um Routineuntersuchungen handele, jedenfalls dann im Sinne von § 174c StGB anvertraut sei, wenn sich der Patient / die Patientin in Erwartung einer osteopathischen Behandlung vollständig entkleidet auf eine Liege lege. Ausreichend sei, dass das Opfer eine fürsorgliche Tätigkeit des Täters entgegennehme.
Das LG Frankenthal hat sich in einer Entscheidung aus dem Jahre 2013 (Urt. v. 11.11.2013, 5221 Js 259113/11.6 KLs, BeckRS 2013, 19451, unter IV. 2.) zu der Frage geäußert und ausführlich überzeugend dargelegt, warum der Tatbestand des § 174c StGB auch Vorsorgeuntersuchungen umfassen müsse, die Frage aber letztlich dahinstehen lassen, weil in dem dortigen Sachverhalt nachgehalten werden konnte, dass sich alle Geschädigten wegen konkreten Beschwerden in fachärztliche Behandlung begeben hatten.
Zu berücksichtigen ist, dass der maßgebliche Straftatbestand erst im Rahmen der Neuregelung des § 174c StGB auf das Anvertrautsein im Rahmen der Behandlung körperlicher Leiden ausgeweitet wurde (Änderung mit dem SexualdelÄndG v. 27.12.2003, BGBl. I 3007; kritisch hierzu etwa Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 174c Rn. 2a). Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass durch die Erweiterung auch im Rahmen der Behandlung körperlicher Leiden das Vertrauensverhältnis zwischen dem hilfesuchenden Patienten und dem Behandler geschützt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 15/350, S. 16; vgl. zur ursprünglichen Fassung bereits BT-Drucks. 13/8267, S. 7). Dabei ging der Gesetzgeber schon bei der vorherigen Fassung davon aus, dass § 174c StGB auch sexuelle Übergriffe im Rahmen nur diagnostischer Untersuchungen umfassen sollte (BT-Drucks. 13/8267, S. 11; vgl. hierzu etwa Hörnle, in: LK-StGB, 12. Aufl., § 174c Rn. 11; Heger, in: Kühl-StGB, 29. Aufl. 2018, § 174c Rn. 4).
Für den Schutz dieses Vertrauensverhältnisses kann es zur Überzeugung der Kammer nicht darauf ankommen, ob die sich regelmäßig mangels expliziter Fachkenntnisse unterlegene Patientin im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung oder aufgrund konkreter Beschwerden an einen Facharzt für Gynäkologie wendet.
Beiden Situationen ist vielmehr gemein, dass die Patientinnen allein aufgrund der mit dem Beruf des Arztes einhergehenden Autorität und Vertrauensstellung, welche zu einer Absenkung des natürlicher Abwehr- und Hemmungsempfindens führt und ohne die die fragliche - medizinisch empfohlene und den Patientinnen zur Vermeidung gesundheitlicher Nachteile nahegelegte (Vorsorge-) Untersuchung nicht möglich wäre, Zugriff auf intimste Bereiche zulassen. Entscheidend ist letztlich, dass die Patientinnen eine fürsorgerische Tätigkeit des Behandlers entgegennehmen wollen und sich aus diesem Grunde dessen Zugriff ausliefern (vgl. hierzu die ähnliche Argumentation des BGH in oben dargelegter Konstellation; Urt. v. 01.12.2011, a.a.O., Rn. 11). Dies wird besonders im Rahmen von gynäkologischen Untersuchungen deutlich, bei denen die Patientinnen sich mit entkleidetem Intimbereich und durch die Platznahme auf einem gynäkologischen Stuhl in eine äußerst ausgelieferte, kaum Schutz bietende Situation begeben.
Der Angeklagte hat auch im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen unter Missbrauch des Behandlungsverhältnisses sexuelle Handlungen im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB an den geschädigten Frauen vorgenommen. Er hat die Lichtbilder / Filmaufnahmen vorliegend allein aus sexuellen Motiven heraus erstellt. Hierzu hat der Angeklagte die jeweiligen, im Rahmen der Untersuchungen an den Geschädigten vorgenommenen Handlungen genutzt und er hat die Untersuchungen und die Handlungen an den Frauen so ausgeführt, dass er dabei die Lichtbild- bzw. Filmaufnahmen vornehmen konnte. Die Untersuchungshandlungen in ihrer konkreten Art und die Aufnahmen können insoweit nur im Zusammenhang und als Einheit gesehen werden. Auch soweit einzelne Untersuchungshandlungen unabhängig von den Aufnahmen gynäkologisch nicht zu beanstanden waren, stellen die konkreten Handlungen des Angeklagten an den Geschädigten und die unter ihrer Ausnutzung vorgenommenen Aufnahmen zur Überzeugung der Kammer jeweils eine einheitliche sexuelle Handlung im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB dar.
2.
Daneben hat sich der Angeklagte nicht des Missbrauchs von Sende- oder sonstigen Telekommunikationsanlagen gemäß § 90 Abs. 1 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 2 lit. a TKG strafbar gemacht, indem er ein äußerlich als Kugelschreiber getarntes Gerät besessen hat, welches auch zur Fertigung von Video-/Bildaufnahmen in der Lage ist und welches er auch in seinen Praxisräumen zur Anfertigung von verdeckten Aufnahmen genutzt hat.
Zwar kann nach der Neufassung der Vorschriften im Jahr 2007 (durch Gesetz v. 18.2.2007, BGBl. I S. 106) auch der Besitz von etwa als Kugelschreiber getarnten Geräten, die zwar nicht zur Fertigung von Tonaufnahmen, aber von Bildaufnahmen geeignet sind, gemäß § 90 Abs. 1 S. 1, 148 Abs. 1 Nr. 2 lit. a TKG strafbewehrt sein (vgl. zur Gesetzeslage davor etwa Ernst, in: NJW 2004, 1277). Umfasst sind aber schon dem Gesetzeswortlauf nach nur Sende- oder Telekommunikationsanlagen, also nur solche Anlagen, die nicht nur zur Fertigung von Bild- oder Tonaufnahmen in der Lage sind, sondern die auch Daten senden und empfangen können (vgl. hierzu Bock, in: Beck'scher TKG-Kommentar, 4. Aufl. 2013, § 90 Rn. 8). Dass das bei dem Angeklagten sichergestellte, als Kugelschreiber getarnte Gerät, auch zum Empfangen und Senden von Daten in der Lage war, ist nicht erkennbar. Zur Überzeugung der Kammer handelte es sich vielmehr um ein Gerät, dass zwar unter dem Anschein eines Kugelschreibers Bild- / Videoaufnahmen fertigen und im Sinne eines Datenträgers, wie eines USB-Sticks, abspeichern, nicht aber Daten auch senden und empfangen konnte.
3.
Soweit mit der Anklage dem Angeklagten ferner die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB vorgeworfen wird, sind diese Straftatbestände durch Erreichen der absoluten Verjährungsfrist spätestens seit dem Ablauf des 22.12.2017 verjährt.
Vorgeworfen werden dem Angeklagten Taten zwischen dem 22.11.2011 und dem 22.12.2011. Die ab dem 06.08.2004 bis zum 26.01.2015 gültige und daher hier anzuwendende Gesetzesfassung des § 201a StGB (G. v. 30.07.2004, BGBl. I 2012; geändert erst mit Wirkung ab dem 27.01.2015 mit G. v. 21.01.2015, BGBl. I 10) sah als Strafandrohung eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor. Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB beträgt die Verjährungszeit daher drei Jahre.
Die Verjährung ist zwar mit der richterlichen Durchsuchungsanordnung vom 15.06.2012, mit der Erhebung der öffentlichen Anklage vom 28.05.2014, mit der Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 28.08.2015 und der Anberaumung der Hauptverhandlung mit Verfügung vom 12.11.2015 unterbrochen worden, § 78c Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 6-8 StGB. Folge der Unterbrechung war auch jeweils, dass die Verjährung vom neuen beginnt.
Spätestens nach der Verfügung zur Anberaumung der neuen Termine zur Hauptverhandlung mit Verfügung vom 12.11.2015 konnte die Verjährung so zwar letztmalig neu beginnen, jedoch ist die Verjährungsfrist durch die absolute Verjährungsfrist begrenzt, § 78c Abs. 3 S. 2 StGB, die bis zum doppelten der gesetzlichen Verjährungsfrist reicht (vgl. hierzu Sternberg-Lieben/Bosch, in: SchSch-StGB, 29. Aufl. 2014, § 78c Rn. 22). Die absolute Verjährung ist folglich sechs Jahre nach Beendigung der letzten Tat, spätestens am 22.12.2017, eingetreten.
Eine Einstellung kommt insoweit aber nicht in Betracht, da der Angeklagte sich in diesen Fällen des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses schuldig gemacht hat (s.o. IV. 1.), diese Straftatbestände nicht verjährt sind und es sich jeweils um einheitliche prozessuale Taten handelt. Schon eine Verfahrenstrennung, als Voraussetzung einer Einstellung nach § 260 Abs. 3 StPO, schied daher aus (vgl. BGH NStZ 2002, 105 (106)).
V.
Die Kammer hatte 25 Einzelstrafen zu verhängen, hiernach auf eine Gesamtstrafe zu erkennen sowie über die Fragen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung und eines Berufsverbots zu entscheiden.
1.
Die Kammer ist vom Strafrahmen des § 174c Abs. 1 StGB ausgegangen, der von 3 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe reicht.
Bei der Festlegung der Einzelstrafen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten insbesondere sein umfassendes Geständnis gewertet, das nicht nur das Verfahren erheblich abgekürzt, sondern auch den Geschädigten eine Aussage vor Gericht erspart hat.
Dem Umstand, dass die geschädigten Frauen von einer erneuten Vernehmung verschont werden konnten, kommt dabei erhebliches Gewicht zu. Die Zeuginnen haben sämtlichst die Anfertigung der Bild- bzw. Videoaufnahmen an sich durch den Angeklagten nicht bemerkt und erst durch die kriminalpolizeiliche Vernehmung von diesen erfahren. Bereits insoweit waren psychische Folgen für die betroffenen Geschädigten zu befürchten, die aber zu Gunsten der Ermittlung der strafbaren Handlungen des Angeklagten hinzunehmen waren.
Hätte sich der Angeklagte aber nicht eingelassen, wäre es zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich geworden, jedenfalls einen Teil der betroffenen Geschädigten bei Gericht nun erneut nach erheblichem Zeitablauf mit den Vorgängen zu konfrontieren und dabei auch die durch den Angeklagten angefertigten Bild- bzw. Videoaufnahmen in Anwesenheit der Geschädigten in Augenschein zu nehmen. Insofern wären erneute psychische Folgen oder die Vertiefung bereits vorhandener psychischer Schädigungen bei den durch die Kammer zu vernehmenden Geschädigten zu befürchten gewesen. Dies konnte letztlich nur aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten abgewendet wären.
Für den Angeklagten sprach weiter deutlich, dass er noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, sondern bisher, mit Ausnahme des hier in Rede stehenden Verhaltens, ein verantwortungsvolles und sozial angepasstes Leben geführt hat. Darüber hinaus ist der Angeklagte als Erstverbüßer und als Sexualstraftäter, der erfahrungsgemäß den Repressalien seiner Mitgefangenen besonders ausgesetzt ist, in besonderem Maße haftempfindlich; auch dies wirkte sich strafmildernd aus. Erheblich zugunsten des Angeklagten hat die Kammer zudem den langen Zeitraum von etwa sieben Jahren, der seit den Taten vergangen ist, berücksichtigt. Der der Umstand, dass die Taten derart lange zurück liegen, mindert den Strafanspruch des Staates (vgl. hierzu etwa BGH NJW 2008, 860 (865)). Des weiteren hat die Kammer dem Angeklagten auch die Dauer des Verfahrens zu Gute gehalten, durch das dieser erkennbar belastet wurde.
Weiter war deutlich für den Angeklagten in die Waagschale zu werfen, dass er nach der Durchsuchung die Praxis nicht weiter betreiben konnte und auch seine Approbation ruhend gestellt worden ist, er folglich seine gesamte wirtschaftliche Existenz eingebüßt hat.
Schließlich hat der Angeklagte, teilweise nach gerichtlich protokollierten Vergleichen, Schmerzensgeld in angemessener Höhe an mehrere Geschädigte, unter anderem an die Nebenklägerinnen, gezahlt und sich insoweit ernsthaft um eine Schadenswiedergutmachung bemüht.
Zu Lasten des Angeklagten war hingegen sein planvolles, manipulatives und gut organisiertes Vorgehen zu berücksichtigen. Dabei hat er in einer Vielzahl von Fällen das Vertrauen der bei ihm ärztlichen Rat suchenden Patientinnen in ganz besonderer Weise ausgenutzt, die ihm nur in der Annahme einer gynäkologischen Untersuchung die entblößten Genitalien vorzeigten. Zwar war insoweit zu berücksichtigen, dass der Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB gerade nur solche Fälle umfasst, bei denen ein Vertrauensbruch unter Ausnutzung des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses erfolgt. Im gegebenen Fall war aber auch unter Berücksichtigung des vorgenannten Umstandes eine nochmal besondere Situation gegeben, die strafschärfend zu werten war. Es ist kaum eine Situation denkbar, in der eine Patientin mehr auf den professionellen, nicht sexualisierten Umgang durch den behandelnden Arzt / die behandelnde Ärztin angewiesen ist, als bei einer gynäkologischen Untersuchung unter Nutzung eines gynäkologischen Stuhls. Gerade diesen Umstand und das entgegengebrachte Vertrauen hat der Angeklagte im gegebenen Fall in besonders perfider Weise ausgenutzt.
Nach Abwägung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer für die 25 abzuurteilenden Taten jeweils eine tat- und schuldangemessene Einzelstrafe von
10 Monaten
Freiheitsstrafe verhängt.
2.
Gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 2, 3 StGB hat die Kammer aus diesen 25 Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 10 Monaten Freiheitsstrafe und unter nochmaliger Würdigung aller dargelegten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von
1 Jahr und 10 Monaten
erkannt, die angemessen, ausreichend, aber auch erforderlich war und allen Strafzwecken gerecht wurde. Dabei hat die Kammer einerseits zusätzlich strafmildernd dem engen sachlichen und situativen Zusammenhang der Taten, andererseits zusätzlich strafschärfend der Vielzahl der von dem Angeklagten begangenen Taten Rechnung getragen.
3.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe war zur Bewährung auszusetzen, § 56 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 StGB.
Zwar übersteigt die verhängte Freiheitstrafe einen Zeitraum von einem Jahr, sodass gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 StGB eine Aussetzung der Vollstreckung nur in Frage kommt, wenn nicht nur zu erwarten ist, dass sich der Verurteilte die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine weiteren Straftaten mehr gehen wird, sondern zusätzlich unter Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen im gegebenen Fall aber vor.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte hat jedenfalls während der gesamten Dauer des Verfahrens seit Juni 2012 - somit seit etwa 6 ½ Jahren - keinerlei Verhalten mehr gezeigt, welches Zweifel daran begründen könnte, dass er keine weitere Straftaten begehen wird. Im Rahmen der Gesamtwürdigung kommt hinzu, dass er in Folge der Taten seine gesamte wirtschaftliche Existenz eingebüßt und dennoch keinerlei delinquentes Verhalten erkennbar geworden ist. Neue Strafverfahren sind nicht bekannt geworden. Insgesamt scheint der Angeklagte insoweit durch das erfolgte Strafverfahren hinreichend beeindruckt zu sein. Es ist bereits danach zu erwarten, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird, § 56 Abs. 1 S. 1 StGB.
Im Übrigen hat der Angeklagte mit einer bestehenden Familie mit zwei jugendlichen Kindern und seiner Ehefrau zur Überzeugung der Kammer feste soziale Bindungen. Auch dies steht der Erwartung entgegen, dass er erneut Straftaten begehen wird. Es ist vielmehr zu erwarten, dass er zum Schutz der bestehenden Familie und angesichts der erlebten Reaktion der Öffentlichkeit auf das hiesige Strafverfahren, von weiterem strafbaren Verhalten absehen wird.
Als besonderer Gesichtspunkt war maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Dauer des Verfahrens als überlang einzuordnen war (vgl. hierzu die Ausführungen unter V.4.; BGH NJW 1986, 332). Weiter hat der Angeklagte in erheblichem Umfang tatbedingte berufliche Nachteile erfahren, die ebenfalls als besonderer Umstand im Sinne von § 56 Abs. 2 S. 1 StGB zu werten waren (vgl. hierzu Stree/Kinzig, in: SchSch-StGB, 29. Aufl. 2014, § 56 Rn. 39 mwN). Der Angeklagte hat nach der Durchsuchung im Jahr 2011 seine Praxis geschlossen; seine Approbation wurde ruhend gestellt und er war in der Folge jedenfalls bis zum Abschluss des Strafverfahrens nicht mehr in seinem erlernten Beruf des Arztes tätig. Insgesamt liegen nach alldem in einer Gesamtschau besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vor, die trotz der Höhe der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigen.
4.
Der Abschluss des Strafverfahrens ist im gegebenen Fall rechtsstaatswidrig derart verzögert worden, dass dies bei der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs unter näherer Bestimmung des Ausmaßes zu berücksichtigen war (vgl. hierzu etwa BGH NJW 2008, 860 mwN; BVerfG NStZ 2006, 680). Dies ist von dem Angeklagten auch gerügt worden (vgl. zu diesem Erfordernis etwa LG Düsseldorf NStZ 2018, 623). Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer dabei davon ausgegangen, dass eine im Rahmen der Strafmilderungsgründe erfolgte ausdrückliche Feststellung zur Kompensation nicht genügte. Vielmehr bedurfte es einer darüber hinausgehenden Entschädigung des Angeklagten für seine mit der überlangen Verfahrensdauer verbundenen Belastung, die insoweit erfolgt ist. Diese Entschädigung hatte demgemäß zu erfolgen, dass ein bezifferter Teil der verhängten Strafe als vollstreckt zu erklären war (sog. Vollstreckungslösung, vgl. hierzu BGH NJW 2008, 860 (865); Beschl. v. 27.11.2013, 2 StR 482/13, BeckRS 2014, 00505; kritisch etwa Stree/Kinzig, a.a.O., § 46 Rn. 57g mwN).
a)
Die Kammer hat bezüglich der im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsorgane liegenden Verfahrensverzögerungen in der Hauptverhandlung einen ausführlichen Bericht über den Verfahrensablauf erstattet, dem die Verfahrensbeteiligten nicht entgegengetreten sind. In diesem Zusammenhang wurde bekanntgegeben, dass es nach Ansicht der Kammer zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebots des Artikels 6 Abs. 1 S. 1 MRK gekommen ist.
Bei der Berechnung der Verfahrensverzögerung hat sich die Kammer von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Als Fristbeginn ist derjenige Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Beschuldigte von den Ermittlungen gegen ihn in Kenntnis gesetzt wurde (vgl. etwa BGH NStZ-RR 2006, 50). Er endet regelmäßig mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens (vgl. Fischer, a.a.O., § 47 Rn. 122). Der Angeklagte hat spätestens am 06.06.2012 im Rahmen der Durchsuchung seiner Praxisräumlichkeiten Kenntnis von den gegen ihn laufenden Ermittlungen erhalten. Das hiesige Urteil ist am 19.11.2018 verkündet worden. Nachdem der Angeklagte das Rechtsmittel der Revision gegen das Urteil eingelegt hat, kann die Kammer den Eintritt eines rechtskräftigen Verfahrensabschlusses nicht absehen.
Die Angemessenheit der Frist beurteilt sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles, die in einer umfassenden Gesamtwürdigung gegeneinander abgewogen werden müssen. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich der durch die Verzögerungen der Justizorgane verursachte Zeitraum der Verfahrensverlängerung, die Gesamtdauer des Verfahrens, Umfang und Schwierigkeit des Verfahrensgegenstands, Art und Weise der Ermittlungen sowie das Ausmaß der mit dem Andauern des schwebenden Verfahrens für den Betroffenen verbundenen besonderen Belastungen. Nicht eingerechnet werden die Zeiträume, die bei zeitlich angemessener Verfahrensgestaltung beansprucht werden durften (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 240; Fischer, a.a.O., § 47 Rn. 122).
Vorliegend waren die unter II. 3. dargelegten Zeiträume zu berücksichtigen. Aus dem beschriebenen Verfahrensablauf ergeben sich für die Zeiträume vom 23.05.2013 bis zum 27.11.2013, vom 24.10.2014 bis zum 15.07.2015, vom 05.04.2016 bis zum 05.04.2017 und vom 09.01.2018 bis zum 09.03.2018 rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen, somit über einen Zeitraum von 2 Jahren, 4 Monaten und 19 Tagen bzw. insgesamt 871 Tagen.
Keine Verfahrensverzögerung erkennt die Kammer in der Dauer der Gutachtenerstellung selbst. Zwar hat der Sachverständige R1 für die Erstellung des Gutachtens etwa fünf Monate und damit wesentlicher länger als der ursprüngliche Sachverständige A1 gebraucht. Die Erstellungszeit von fünf Monaten erscheint aber angesichts des Umfangs des zu sichtenden Video- und Bildmaterials und der Komplexität der zu treffenden Erwägungen durchaus angemessen.
b)
Ausgehend vom dargestellten Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerungen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Belastungen, die die lange Verfahrensdauer für den Angeklagten mit sich gebracht haben, bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind, war es nach Auffassung der Kammer zum Zwecke der Entschädigung für die konventions- und rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerungen zusätzlich erforderlich
4 Monate
der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt zu erachten.
5.
Ein Berufsverbot hat die Kammer nicht verhangen, weil ein solches nicht mehr erforderlich erschien, § 70 Abs. 1 StGB.
Die Verhängung eines zeitigen Berufsverbotes gemäß § 70 Abs. 1 S. 1 StGB ist erforderlich, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen lässt, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird (vgl. BGH NStZ 2018, 514). Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abstellende – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht. Das Erfordernis der Verhängung ist dabei unabhängig von den verwaltungs- / berufsrechtlichen Konsequenzen, wie dem Ruhen oder dem Entzug der Approbation, zu beurteilen (vgl. BGH NJW 1975, 2249). Im Umkehrschluss ist auch die Ärztekammer in ihrer Entscheidung nicht an die strafrechtlichen Ausführungen des Strafgerichts gebunden, sondern hat, jedenfalls soweit noch ein sogenannter berufsrechtlicher Überhang besteht, also neben einem verhangenen Berufsverbot noch berufsrechtliche Einschränkungen erforderlich erscheinen, vielmehr eine eigene Beurteilung vorzunehmen (vgl. etwa VG München, Urt. v. 31.3.2009, M 16 K 08.4603, BeckRS 2009, 48473; OVG NRW NJW 2004, 2034; Hanack, in: LK-StGB, 12. Aufl., § 70 Rn. 90f.; a. A. BVerwG NJW 1963, 875).
Die Entscheidung über die Verhängung des Berufsverbotes steht im Ermessen des Gerichts (vgl. Stree/Kinzig, a.a.O., § 70 Rn. 17). Maßgebend für eine pflichtgemäße Ermessensausübung ist der Maßregelzweck. Erweist sich die Anordnung zum Schutz der Allgemeinheit als dringend notwendig, so muss sie getroffen werden. Je nach der Gefahrenlage können besondere Umstände des Falles aber auch zum Absehen von einem Berufsverbot führen.
Dem Angeklagten war durch das Ruhen der Approbation gemäß § 6 BÄO bereits seit dem Jahr 2011 - und so über den Regelzeitraum des § 70 Abs. 1 S. 1 StGB von fünf Jahren hinaus - die Ausübung seines Berufes als Arzt bzw. Frauenarzt untersagt, § 6 Abs. 3 BÄO. Aufgrund des mehrjährigen Ruhens der Approbation und des überlangen Strafverfahrens erscheint er erheblich gestraft und beeindruckt. Würde ein derartiger Zeitablauf hingegen nicht vorliegen und die Taten des Angeklagten würden weniger als fünf Jahre zurückliegen, so wäre es aus Sicht der Kammer angezeigt gewesen, ein zeitiges Berufsverbot gemäß § 70 Abs. 1 S. 1 StGB über einen Zeitraum von fünf Jahren zu verhängen. Die Verhängung eines lebenslangen Berufsverbotes gemäß § 70 Abs. 1 S. 2 StGB erschien aber nicht geboten.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 472 Abs. 1 S.1 StPO. Nicht aufzuerlegen waren dem Angeklagten die Kosten des Gutachtens des Sachverständigen A1, bei dem die Kammer mit Beschluss vom 07.03.2016 gemäß § 74 StPO die durch den Verteidiger P2 beantragte Ablehnung für begründet erklärt hat. Unabhängig von der Frage, ob diesem überhaupt eine Vergütung zusteht, oder dessen Vergütungsanspruch gemäß § 8a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG weggefallen ist, erscheint es der Kammer jedenfalls unbillig, dem Verurteilten die insoweit gegebenenfalls entstandenen Kosten aufzuerlegen.
Grundsätzlich trifft den Verurteilten, soweit eine Verurteilung erfolgt ist, zwar eine sich auf die Kosten des gesamten Verfahrens beziehende Zahlungspflicht, von der auch die Kosten des ersten Gutachtens von A1 umfasst wären, § 465 Abs. 1, 467 StPO.
Auch sind die Kosten nicht durch besonderen Beschluss einem Dritten auferlegt worden und es liegt kein Fall des § 21 Abs. 1 S. 1 GKG vor, welcher zu einer anderen Kostenfolge führen würde (vgl. zu den Ausnahmen etwa Gieg, in: KK-StPO, 7. Aufl. 2013, § 465 Rn. 3f.). Ferner ist keine Ausnahme nach § 465 Abs. 2 StPO gegeben, nachdem einem Angeklagten bei Verurteilungen dann keine Kosten für Untersuchungs- / Ermittlungshandlungen aufzuerlegen sind, wenn sich die entsprechenden kostenauslösenden Handlungen im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt haben.
Zur Überzeugung der Kammer ist § 465 Abs. 2 StPO aber im gegebenen Fall analog anzuwenden.
Sinn und Zweck der Regelung ist es, unabhängig von der Frage, ob sich die Untersuchungen im Ergebnis zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt haben, diesen von Kosten zu befreien, die zwar im Verfahren begründet wurden, sich jedoch im Ergebnis nicht in einem Schuldvorwurf gegen ihn niedergeschlagen haben bzw. sich gerade nicht auf ein delinquentes Verhalten des Angeklagten zurückführen lassen (vgl. etwa OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 359 (360); Gieg, a.a.O., Rn. 5), die dieser also nicht vorwerfbar verursacht hat.
Gerade dies ist vorliegend der Fall. Auch wenn sich im gegebenen Fall das Gutachten des befangenen Sachverständigen nicht zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt hat, sondern schlicht keine Verwertung erfolgt ist, so hat er die insoweit entstandenen Kosten dennoch nicht zu verantworten. Dem Angeklagten kann nicht vorgeworfen werden, dass der erste beauftragte Sachverständige sich durch seine Äußerungen in der Hauptverhandlung derart verhalten hat, dass eine Befangenheit nicht ausgeschlossen werden konnte und die Kammer dem Antrag des Verteidigers entsprechend dessen Ablehnungsgesuch für begründet erklärt hat, in Folge dessen die Ausführungen des Sachverständigen A1 nicht mehr verwertbar waren. Wenn dies nicht erfolgt wäre, wäre die erneute Beauftragung eines Sachverständigen nicht erforderlich geworden und es wären nicht erneut Kosten im Sinne von §§ 465 Abs. 1, 467 StPO angefallen. Dem Angeklagten waren daher nur die ihm vorwerfbar verursachten Kosten des nachfolgenden zweiten, von dem Sachverständigen R1 erstellten, Gutachten aufzuerlegen, nicht aber diejenigen des befangenen Sachverständigen A1.
BGH 4 StR 364/19 - Beschluss vom 2. Februar 2021 (LG Dortmund)
BGHSt 65, 313; sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (Anvertrautsein bei Vorsorgeuntersuchungen; Vorliegen einer sexuellen Handlung bei gynäkologischen Untersuchungen, die heimlich zu sexuellen Zwecken aufgezeichnet werden).
§ 174c Abs. 1 StGB
Leitsätze
1. Auch Patienten, die einen Arzt zu Vorsorgeuntersuchungen aufsuchen, können diesem im Sinne von § 174c Abs. 1 StGB anvertraut sein. (BGHSt)
2. Zum Vorliegen einer sexuellen Handlung bei gynäkologischen Untersuchungen, die heimlich zu sexuellen Zwecken aufgezeichnet werden. (BGHSt)
3. Für den Begriff der sexuellen Handlung im Sinne des Dreizehnten Abschnitts des Strafgesetzbuches ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend; das Merkmal ist erfüllt, wenn das Erscheinungsbild nach allgemeinem Verständnis die Sexualbezogenheit erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war. (Bearbeiter)
4. Berührungen und Penetrationen der Genitale von Patientinnen durch einen Gynäkologen sind nicht mehr als regelgerecht und deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen als sexuelle Handlungen im Sinne des § 174c Abs. 1, § 184h Nr. 1 StGB anzusehen, wenn die sexuelle Motivation des Angeklagten sich nicht nur auf die Anfertigung von Bildaufnahmen und Videos beschränkt, sondern auch die äußere Ausgestaltung der jeweiligen „Untersuchungshandlungen“ in einer Weise mitbestimmt, dass deren Behandlungs- und Untersuchungscharakter durch ihren Sexualbezug überlagert wird. (Bearbeiter)
5. Dies ist jedenfalls anzunehmen, wenn der Angeklagte die äußere Behandlungssituation für seine sexuellen Zwecke präpariert, indem er eine verborgene Kamera in der Auffangschale des Behandlungsstuhls anbringt und sich selbst mit einer versteckten Kamera im Arztkittel ausstattet und für die Durchführung der Untersuchungen eine vom Üblichen abweichende Stellung des Behandlungsstuhls wählt, die es ihm ermöglicht, ungestört Aufnahmen von dem entblößten Genitalbereich seiner Patientinnen und seinen Manipulationen fertigen zu können. (Bearbeiter)
Entscheidungstenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19. November 2018 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass fünf Monate der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem hat es angeordnet, dass als Kompensation für eine rechtstaatswidrige Verfahrensverzögerung vier Monate der erkannten Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen nahm der Angeklagte, ein Frauenarzt, in der Zeit zwischen dem 22. November 2011 und dem 22. Dezember 2011 im Behandlungsraum seiner Praxis in 25 Fällen an verschiedenen Patientinnen Untersuchungen des Genitals vor, wobei er bei vaginalen Tastuntersuchungen auch einen Finger in die Scheide der Patientinnen einführte. Dabei fertigte er ohne Kenntnis und Zustimmung der jeweiligen Patientinnen digitale Bilder und Videoaufnahmen an, die den entblößten Genitalbereich der auf einem gynäkologischen Stuhl mit gespreizten Beinen sitzenden Frauen während der Untersuchungshandlungen zeigten. Die Aufnahmen fertigte er mit einer Kamera, die er in der Auffangschale des gynäkologischen Stuhls platziert hatte, sowie mit einer als Kugelschreiber getarnten Kamera, die sich in der Brusttasche seines Arztkittels befand. Zudem stellte er den gynäkologischen Stuhl in einer Weise ein, die es den Patientinnen erschwerte, den Angeklagten während der Untersuchungen zu beobachten. Dies ermöglichte ihm zugleich, ungestört und aus seiner Sicht bessere Aufnahmen fertigen zu können. Die Erstellung der Bilder und Videoaufnahmen war allein sexuell motiviert.
Die Strafkammer hat sich bei seiner Überzeugungsbildung maßgeblich auf das für glaubhaft erachtete Geständnis des Angeklagten gestützt. Dieser hatte unter anderem angegeben, dass er die Untersuchungen selbst aus medizinischen Gründen vorgenommen und nie entgegen der ärztlichen Kunst durchgeführt habe.
Die Strafkammer hat die Auffassung vertreten, dass der Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB auch in den Fällen verwirklicht sei, in denen der Angeklagte lediglich Vorsorgeuntersuchungen vorgenommen habe, weil auch in diesen Fällen ein schützenswertes Vertrauensverhältnis entstanden sei. Die konkreten Untersuchungshandlungen und die zu sexuellen Zwecken gefertigten Aufnahmen seien einheitlich als sexuelle Handlung zu bewerten. Von einer Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201a StGB hat das Landgericht mit Blick auf den Eintritt der Verfolgungsverjährung abgesehen.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses in 25 Fällen weist keinen Rechtsfehler auf. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
1. Die Annahme des Landgerichts, bei den Geschädigten habe es sich auch dann um Personen gehandelt, die dem Angeklagten im Sinne des § 174c Abs. 1 StGB wegen einer körperlichen Krankheit zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut waren, wenn er lediglich Vorsorgeuntersuchungen vornahm, ist nicht zu beanstanden.
a) Nach der Rechtsprechung ist eine Person dem Täter im Sinne des § 174c Abs. 1 StGB wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut, wenn sie aufgrund eines der genannten Zustände eine fürsorgerische Tätigkeit des Täters entgegennimmt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit oder eine Behinderung vorliegt, sofern nur die betroffene Person subjektiv eine Behandlungs- oder Beratungsbedürftigkeit empfindet. Das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis muss auch nicht von einer solchen - zumindest beabsichtigten - Intensität und Dauer sein, dass eine Abhängigkeit entstehen kann, die es dem Opfer zusätzlich zu der mit einem derartigen Verhältnis allgemein verbundenen Unterordnung unter die Autorität des Täters und die damit einhergehende psychische Hemmung hinaus erschwert, einen Abwehrwillen zu bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 3 StR 44/20, Rn. 26 f.; Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 StR 24/16, BGHSt 61, 208, 215; Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 318/11, NStZ 2012, 440, 441 [„Routineuntersuchung“]; Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, BGHSt 56, 226, 230 mwN).
b) Danach kann auch eine Vorsorgeuntersuchung, die als solche nicht auf die Behandlung einer Gesundheitsstörung gerichtet ist, sondern nur der Früherkennung von Krankheiten dient (vgl. dazu Voit in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 31. Aufl., § 192 Rn. 48), den Tatbestand des § 174c Abs. 1 StGB erfüllen.
Der Gesetzeswortlaut lässt diese Auslegung zu. „Wegen“ (synonym: infolge, auf Grund, aber auch: in Hinsicht auf; vgl. Bauer, Synonymen-Lexikon, S. 180) einer körperlichen Krankheit vertraut sich einem Arzt zur Beratung, Behandlung oder Betreuung auch derjenige an, der das Vorliegen einer körperlichen Krankheit nur allgemein besorgt, etwa weil er aufgrund des Vorhandenseins bestimmter allgemeiner Risikofaktoren (Alter, Vorerkrankungen, zurückliegende riskante Lebensweisen) damit rechnet, ein erhöhtes Krankheitsrisiko zu haben, und deshalb vorbeugend ärztlichen Rat sucht. Gleiches gilt, wenn sich jemand zu einem Arzt begibt, weil ihm dies von diesem selbst oder auch seiner Versicherung aus Gründen der Krankheitsprävention nahegelegt wird.
Die Gesetzesmaterialien und eine daran anknüpfende am Gesetzeszweck orientierte Auslegung sprechen für die Annahme, dass auch sexuelle Übergriffe des Behandlers oder Beraters bei Vorsorgeuntersuchungen vom Schutzzweck der Norm erfasst sein sollen. Danach ging es dem Gesetzgeber bei der Neufassung des § 174c StGB insbesondere darum, den Missbrauch der durch das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis begründeten Vertrauensstellung und des sich daraus ergebenden Abhängigkeitsverhältnisses zu sexuellen Kontakten unter Strafe zu stellen (vgl. BTDrucks. 13/8267, S. 7; vgl. auch BTDrucks. 15/350, S. 16; BGH, Beschluss vom 29. Juni 2016 - 1 StR 24/16, BGHSt 61, 208, 215; Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 318/11, NStZ 2012, 440, 441; Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, BGHSt 56, 226, 230; siehe auch Urteil vom 4. April 1979 - 3 StR 98/79, BGHSt 28, 365, 367 [zu § 174 StGB aF]). Aus diesem Grunde sollten selbst sexuelle Annäherungen außerhalb konkreter Behandlungstermine oder nach einer „pro forma“ Beendigung des Behandlungs-, Beratungs- oder Betreuungsverhältnisses strafbar sein (vgl. BTDrucks. 13/8267, S. 7). Eine derartige Vertrauensstellung nimmt ein Arzt bei Vorsorgeuntersuchungen in gleicher Weise in Anspruch. Auch in diesen Fällen besteht ein sich daraus ergebendes Abhängigkeitsverhältnis. Soweit angenommen wird, dass durch § 174c StGB zudem das hohe Berufsethos der Heilberufe und das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen geschützt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2017 - 1 StR 570/16, StraFo 2017, 116; offen gelassen in BGH, Urteil vom 14. April 2011 - 4 StR 669/10, BGHSt 56, 226, 231), trifft dies auf Vorsorgeuntersuchungen ebenfalls zu.
2. Die Manipulationen des Angeklagten an den Genitalen seiner Patientinnen waren auch sexuelle Handlungen im Sinne des § 174c Abs. 1, § 184h Nr. 1 StGB. Dabei ist es unter den hier gegebenen besonderen Umständen ohne Bedeutung, ob zugunsten des Angeklagten und damit seinen vom Landgericht für wahr gehaltenen Angaben folgend davon auszugehen ist, dass bei den von ihm vorgenommenen Untersuchungshandlungen die Grenze des medizinisch Erforderlichen nicht überschritten wurde.
a) Für den Begriff der sexuellen Handlung im Sinne des Dreizehnten Abschnitts des Strafgesetzbuches ist das äußere Erscheinungsbild maßgebend; das Merkmal ist erfüllt, wenn das Erscheinungsbild nach allgemeinem Verständnis die Sexualbezogenheit erkennen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 - 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049; Urteil vom 22. Oktober 2014 - 5 StR 380/14, NJW 2014, 3737 Rn. 17 jeweils mwN). Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalls kennt, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 3 StR 44/20 Rn. 13; Urteil vom 29. August 2018 - 5 StR 147/18, NStZ-RR 2018, 341, 342; Beschluss vom 13. März 2018 - 4 StR 570/17, BGHSt 63, 98 Rn. 35; Urteil vom 8. Dezember 2016 - 4 StR 389/16 Rn. 7; Urteil vom 21. September 2016 - 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43 f.; Urteil vom 10. März 2016 - 3 StR 437/15, BGHSt 61, 173 Rn. 6; jeweils mwN).
b) Die Frage ob medizinisch indizierte und regelgerecht ausgeführter Behandlungsmaßnahmen am weiblichen Genital, die zumindest auch mit einer sexuellen Motivation durchgeführt werden, als sexuelle Handlungen ausscheiden, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Bei Berührungen des weiblichen Genitals im Rahmen einer osteopathischen Behandlung durch einen Arzt, dessen Approbation erloschen war, hat der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs das Vorliegen einer sexuellen Handlung nach den allgemeinen Grundsätzen bejaht, weil die Behandlung bereits wegen der fehlenden Erlaubnis nicht regelgerecht gewesen sei und deshalb für ein Abweichen von den allgemeinen Grundsätzen kein Anlass bestehe (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 - 3 StR 44/20 Rn. 13, 15 mwN auch zum Stand der Rechtsprechung; siehe dazu auch BGH, Urteil vom 16. Januar 1959 - 4 StR 444/58, BGHSt 13, 138, 141 f.).
In der Literatur wird - mit Abweichungen im Detail - überwiegend angenommen, dass de lege artis durchgeführte und medizinisch indizierte gynäkologische Behandlungsmaßnahmen auch dann als neutrale Handlungen anzusehen seien, wenn bei dem Behandler sexuelle Motive mitlaufen. Erfolgt die Behandlung dagegen nicht de lege artis oder fehlt es an einer medizinischen Indikation, soll eine sexuelle Handlung vorliegen (vgl. Hörnle in LK-StGB, 12. Aufl., § 174c Rn. 17; dies. in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 184h Rn. 4; Laufhütte/Roggenbuck in LK-StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 6 [der Sexualbezug muss „überlagern“]; Wolters in SK-StGB, 9. Aufl., § 184h Rn. 8; Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 184h Rn. 10; Ziegler in BeckOK-StGB, 43. Ed. Stand 1. November 2020, § 184h Rn. 3; Frommel in NK-StGB, 5. Aufl., § 184h Rn. 1). Teilweise werden ergänzend auch die Regeln zum ärztlichen Heileingriff herangezogen (vgl. Renzikowski in MüKo-StGB, 3. Aufl., § 174c Rn. 25; Eschelbach in Matt/ Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 174c Rn. 16). Nach anderer Ansicht soll auch bei gegebener Indikation und einer Ausführung de lege artis eine sexuelle Handlung vorliegen können, wenn die sexuellen Motive Anlass zu der Handlung waren (vgl. Zauner, Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses, 2004, S. 103) oder das Verhalten des Angeklagten im Rahmen des Gesamtgeschehens als ein sexualbezogenes Agieren zu verstehen ist (vgl. Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, 2012, Rn. 108; ders., Festschrift für Streng, 2017, S. 87, 92; Gössel, Das neue Sexualstrafrecht, 2005, Rn. 21 a.E. [wenn äußerlich eine Bezogenheit auf die sexuelle Bedürfnisbefriedigung erkennbar ist]).
c) Die von dem Angeklagten vorgenommenen Berührungen und Penetrationen der Genitale seiner Patientinnen waren unter den hier gegebenen Umständen nicht regelgerecht und deshalb nach den allgemeinen Grundsätzen als sexuelle Handlungen im Sinne des § 174c Abs. 1, § 184h Nr. 1 StGB anzusehen, weil die sexuelle Motivation des Angeklagten nicht nur auf die Anfertigung der Bildaufnahmen und Videos beschränkt blieb, sondern auch die äußere Ausgestaltung der jeweiligen „Untersuchungshandlungen“ in einer Weise mitbestimmte, dass deren Behandlungs- und Untersuchungscharakter durch ihren Sexualbezug überlagert wurde. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte die äußere Behandlungssituation für seine sexuellen Zwecke präpariert, indem er eine verborgene Kamera in der Auffangschale des Behandlungsstuhls angebracht und sich selbst mit einer versteckten Kamera im Arztkittel ausgestattet hatte. Für die Durchführung der Untersuchungen wählte er eine vom Üblichen abweichende Stellung des Behandlungsstuhls, die es ihm ermöglichte, ungestört Aufnahmen von dem entblößten Genitalbereich seiner Patientinnen und seinen Manipulationen fertigen zu können. Die in dieses Rahmengeschehen eingebetteten Untersuchungshandlungen waren für den Angeklagten das Material für seine ausschließlich zu sexuellen Zwecken gefertigten digitalen Bilder und Videos.
III.
Die Bestimmung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Zwar hat die Strafkammer im Hinblick auf die in den Urteilsgründen angesprochenen Leistungen von Schmerzensgeld „in angemessener Höhe“ an mehrere Geschädigte eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB nicht erörtert. Der Senat vermag aber auszuschließen, dass die Bestimmung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe hierauf beruht, denn die Strafkammer hat diesen Umstand mit Gewicht in die konkrete Strafzumessung eingestellt und sehr moderate Strafen ausgesprochen.
Wegen der (weiteren) rechtstaatswidrigen Verzögerung des Verfahrens im Revisionsrechtszug nach Eingang der Akten beim Generalbundesanwalt war noch ein weiterer Monat der erkannten Strafe für vollstreckt zu erklären.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 350
Externe Fundstellen: BGHSt 65, 313; NJW 2021, 2223; StV 2021, 365
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner