Dillingen/Wertingen/Hildburghausen

 

 

Sexueller Missbrauch im Behandlungszimmer: Der Fall des Frauenarztes Prof. Dr. Johannes H.  

 

 

 

Der Fall des Frauenarztes Prof. Dr. Johannes H. verdeutlicht die Problematik sexualisierter Gewalt durch medizinisches Personal. Die Recherche zu diesem Fall offenbart ein beunruhigendes Muster wiederholter Übergriffe und mehrfacher Verurteilungen, trotz derer der Arzt weiterhin praktizieren konnte.  

 

Chronologie der Verurteilungen & Anschuldigungen  

Prof. Dr. Johannes H., ein 74-jähriger Frauenarzt, der am Kreiskrankenhaus Wertingen praktizierte, wurde insgesamt dreimal wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Patientenverhältnisses verurteilt. Das Amtsgericht Dillingen verhängte 2010 eine Freiheitsstrafe von 14 Monaten gegen ihn und 2012 eine weitere Strafe von acht Monaten ohne Bewährung.  

Im ersten Fall wurde der Frauenarzt wegen sexuellen Missbrauchs an einer 34-jährigen Patientin zu einem Jahr und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Diese Verurteilung wurde jedoch nicht rechtskräftig, da sein Anwalt eine Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler beantragte, wodurch H. die Haftstrafe zunächst nicht antreten musste.  

 

Ebenfalls im Jahr 2010 soll der Frauenarzt sich an einer damals 78-jährigen Patientin vergangen haben. Laut Berichten soll er die Frau im Genitalbereich bis zum Höhepunkt stimuliert haben, während ihr Ehemann im Wartezimmer saß.  

 

Der jüngste und dritte Fall, der zur Verurteilung führte, wurde vor dem Landgericht im thüringischen Meiningen verhandelt. Dort verurteilte man ihn zu zwei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe, nachdem das Gericht der Aussage einer 55-jährigen Verkäuferin, die als Hauptbelastungszeugin auftrat, Glauben schenkte.  

 

Anstellung trotz Berufsverbot  

Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass Prof. Dr. Johannes H. trotz eines bestehenden Berufsverbots und ruhender Approbation im November 2011 auf Honorarbasis an der Henneberg-Klinik in Hildburghausen (Thüringen) angestellt wurde. Erst nach einem anonymen Hinweis erfolgte seine Kündigung.  

Laut Anklage soll H. im März 2012 eine Patientin im Klinikum Hildburghausen unter Ausnutzung ihrer hilflosen Lage nach einer Operation im Behandlungszimmer vergewaltigt haben. Während des Prozesses schwieg der verheiratete Frauenarzt. Seine Anwälte erklärten, dass es sich bei dem Vorgang um eine normale Untersuchung gehandelt habe.  

Die Verteidiger räumten ein, dass ihr Mandant trotz ruhender Approbation ärztlich tätig gewesen sei. Als Begründung führten sie an, dass der Frauenarzt eine demenzkranke Ehefrau habe und in finanziellen Schwierigkeiten stecke.  

 

Muster der Übergriffe  

Die vorliegenden Informationen zeigen ein wiederkehrendes Muster: Die Übergriffe fanden im Behandlungszimmer statt, wo keine Zeugen anwesend waren. Dies erschwerte die Beweisführung erheblich, weshalb mehrere Anzeigen mangels Beweisen fallengelassen wurden.  

Mindestens sechs Patientinnen sollen dem Frauenarzt zum Opfer gefallen sein. Die Anschuldigungen reichen von sexuellem Missbrauch bis hin zu Vergewaltigung. In allen Fällen nutzte H. offenbar seine Position als Arzt und das damit verbundene Vertrauensverhältnis aus.  

 

Rechtliche Folgen  

Seit Mai 2012 befand sich Prof. Dr. Johannes H. in Untersuchungshaft. Der Prozess vor dem Landgericht Meiningen führte schließlich zu seiner dritten Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs.  

Die Verzögerungen im Rechtssystem ermöglichten es dem Täter jedoch, trotz erster Verurteilungen weiterhin als Arzt tätig zu sein und weitere Übergriffe zu begehen. Die fehlende Rechtskraft der ersten Urteile und die trotz Berufsverbot erfolgte Anstellung legen gravierende Lücken im System zum Schutz von Patientinnen offen.  

 

Systemproblem & fehlende Kontrollen  

Der Fall wirft grundlegende Fragen auf: Wie konnte ein bereits wegen sexuellen Missbrauchs verurteilter Arzt erneut in einer Klinik angestellt werden? Welche Kontrollmechanismen fehlen im Gesundheitssystem, um solche Fälle zu verhindern?  

Die Tatsache, dass erst ein anonymer Hinweis zur Kündigung führte, deutet auf mangelnde Überprüfungsmechanismen bei der Einstellung von medizinischem Personal hin. Zudem erschwert die Beweislage bei Übergriffen im Behandlungszimmer ohne Zeugen die strafrechtliche Verfolgung erheblich.  

 

Fazit  

Der Fall des Prof. Dr. Johannes H. illustriert, wie sexualisierte Gewalt durch medizinisches Personal möglich wird und welche strukturellen Probleme bei der Prävention und Verfolgung solcher Taten bestehen. Die Ausnutzung der Vertrauensstellung als Arzt, fehlende Kontrollmechanismen trotz Berufsverbots und die schwierige Beweislage bei Taten ohne Zeugen bilden ein problematisches Geflecht, das weitere Übergriffe begünstigt.  

Die dreimalige Verurteilung zeigt jedoch auch, dass das Rechtssystem – wenn auch mit Verzögerungen – letztlich reagiert hat. Für einen effektiven Schutz von Patientinnen wären allerdings präventive Maßnahmen und schnellere Reaktionen bei ersten Anzeichen notwendig gewesen.

 

 

QUELLEN

· «Frauenarzt unter Verdacht», Georg Vater, Frankenpost,  ·

· «Hat dieser Frauenarzt seine Patientin vergewaltigt? Prof. Dr. Johannes H. (74) soll sich im Behandlungszimmer an Frauen vergangen haben», Juliane Grossmann & Alex Heinen, Bild, 12.11.2012 ·

 

 

Professor Dr. Johannes H.