Mönchengladbach/Aachen

 

 

«Ein Amtskleid als Tarnkappe» · Urologe nutzte Behandlungen für eigene sexuelle Befriedigung

 

 

 

Das Verwaltungsgericht Aachen hat in einem Urteil vom 21. November 2011 die Klage eines Urologen gegen seine erkennungsdienstliche Behandlung abgewiesen. Der Fall dokumentiert, wie ein Mediziner die Unwissenheit und das Vertrauen junger Frauen ausnutzte, um seine eigenen sexuellen Begierden zu befriedigen.

 

Die Übergriffe: Lustgewinn unter dem Vorwand medizinischer Notwendigkeit

Im Zentrum des Verfahrens stehen zwei gravierende Fälle sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses. Der niedergelassene Urologe mit Praxis in NRW missbrauchte in zwei nachgewiesenen Fällen junge Frauen für seine sexuelle Stimulation.

 

Im ersten Fall vom 21. Juni 2008 veranlasste er eine 22-jährige Patientin während einer urologischen Untersuchung, sich «aus angeblich medizinischen Gründen selbst zu befriedigen» - offensichtlich um sich selbst daran zu erregen. Als diese Anweisung nicht den vom Arzt erhofften Lustgewinn brachte, steigerte er seine eigene Erregung, indem er sich neben die junge Frau legte und selbst an ihren Brüsten und ihrer Vagina manipulierte, wobei er auch seine Finger in ihre Vagina einführte. Das Amtsgericht Viersen verurteilte ihn für diese sexuell motivierte Tat zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung.

 

Besonders bezeichnend für seine sexuelle Fixierung ist, dass er trotz laufenden Strafverfahrens seine Triebe nicht kontrollieren konnte und einen nahezu identischen Übergriff beging. Am 31. Mai 2009 suchte eine 19-jährige Patientin mit akuten Halsschmerzen die Notfallpraxis auf, in der der Arzt Dienst hatte. Nach der Diagnose einer Mandelentzündung und einer Spritzeninjektion in den Gesäßmuskel ließ er die junge Frau erneut mit heruntergelassener Unterhose über eine Liege beugen und führte einen Finger in ihre Vagina ein – eine Position und Handlung, die ihm offenbar sexuelle Befriedigung verschaffte. Als Begründung gab er an, «man müsse bei Frauen überprüfen, ob sie Pilze hätten» – eine Erklärung, die er später gegenüber dem Vater der Betroffenen dahingehend änderte, er habe nach Hämorrhoiden gesucht.

 

Fachliche Entlarvung: «Medizinisch völlig unsinnig»

Die medizinischen Gutachter durchschauten den Versuch des Arztes, seine sexuellen Handlungen als medizinisch notwendig zu tarnen. Der HNO-Facharzt Dr. A. stellte unmissverständlich fest: «Eine vaginale Untersuchung vor Einleitung einer antibiotischen Therapie bei einer akuten Mandelentzündung ist völlig untypisch und entspricht keinesfalls den medizinischen Standards.»

 

Noch deutlicher wurde der urologische Gutachter Prof. Dr. H., der die Untersuchung als «medizinisch nicht zu begründende digitale vaginale «Abtastung»» bezeichnete, «die in den relevanten Lehrbüchern der Urologie und Gynäkologie nicht beschrieben ist». Er kam zu dem Schluss, dass das Vorgehen «grob fehlerhaft und medizinisch völlig unsinnig» war – ein klarer Hinweis darauf, dass die Handlungen nicht medizinisch, sondern sexuell motiviert waren.

 

Auch die Ärztekammer Nordrhein bestätigte, dass eine solche Untersuchung des Genitalbereichs bei Halsschmerzen «in keiner Weise» den fachlich geforderten Standards entspreche.

 

Muster der sexuellen Ausbeutung und Traumatisierung der Betroffenen

Die Parallelen in beiden Fällen sprechen eine deutliche Sprache: Der Arzt instrumentalisierte seine Position als Mediziner, um sich sexuell zu erregen. Er arrangierte Situationen, in denen er junge Frauen entkleiden und berühren konnte, ohne dass diese die Übergriffigkeit erkannten. Sein späteres Beharren darauf, dass sein Vorgehen medizinisch indiziert gewesen sei – er behauptete sogar, ähnliche Untersuchungen «bei mehreren Hundert Patientinnen im Quartal» durchgeführt zu haben – zeigt die Kaltblütigkeit, mit der er seine Taten zu rechtfertigen versuchte.

 

Das Gericht ließ sich jedoch nicht täuschen und betonte in seiner Urteilsbegründung die «erheblichen Verdachtsmomente hinsichtlich eines Sexualbezugs der medizinisch nicht indizierten und von den Sachverständigen sogar als «völlig unsinnig» bezeichneten Untersuchung».

 

Für die betroffenen jungen Frauen bedeuteten diese Übergriffe eine tiefgreifende Verletzung. Sie hatten sich hilfesuchend an einen Arzt gewandt und wurden stattdessen zu Objekten seiner sexuellen Fantasien und Handlungen degradiert – ein Vertrauensbruch, der weit über den Moment des Übergriffs hinaus nachwirkt.

 

Konsequenzen für den Arzt

Als Folge der Übergriffe hatte die Bezirksregierung Düsseldorf bereits das Ruhen der Approbation des Arztes angeordnet. Die erkennungsdienstliche Behandlung, gegen die sich die abgewiesene Klage richtete, wurde wegen der offensichtlichen Gefahr weiterer Übergriffe angeordnet.

 

Das Gericht hielt fest, dass es sich nicht um ein einmaliges Abrutschen handelte, sondern um ein wiederholtes Verhaltensmuster, das auf eine tiefverwurzelte sexuelle Neigung des Täters hindeutet. Bemerkenswert sei, dass der Arzt trotz eines laufenden Strafverfahrens seine Impulse nicht kontrollieren konnte – ein deutlicher Hinweis auf die Stärke seines sexuellen Antriebs und die Gefahr weiterer Taten.

 

Die Korrumpierung der Heilkunst für eigene Lust

Der Fall offenbart die perfiden Mechanismen, mit denen der Arzt das Unwissen und Vertrauen seiner Patientinnen ausnutzte. Die jungen Frauen befanden sich in einer physisch und psychisch verwundbaren Lage: Sie waren krank, suchten Hilfe, waren teilweise entkleidet und allein mit dem Arzt, der ihnen den Eingriff als medizinisch notwendig darstellte.

 

Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass der Arzt sein Verlangen nach sexueller Stimulation über das Wohlergehen und die Würde seiner Patientinnen stellte. Er nutzte seine Fachkenntnis nicht zur Heilung, sondern zur Verschleierung seiner wahren Absichten.

 

Dieser Fall zeigt, wie wichtig Aufklärung, Transparenz und niedrigschwellige Beschwerdemöglichkeiten im medizinischen Bereich sind. Patientinnen müssen über ihre Rechte informiert sein und wissen, welche Untersuchungen bei bestimmten Symptomen üblich sind. Gleichzeitig braucht es eine entschlossene juristische Verfolgung solcher Taten und präventive Maßnahmen, um das Vertrauen in die medizinische Profession zu schützen.

 

 

Quellen

- Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen vom 21.11.2011 (Az.: 6 K 29/10)

- Gutachten des HNO-Facharztes Dr. med. A. vom 16.09.2010

- Gutachten des Urologen Prof. Dr. med. H. vom 15.02.2011

- Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein vom 04.02.2010

- Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 27.08.2009 (Az.: 4 Cs-501 Js 1212/08-467/08)